Halo - Tochter der Freiheit
einer Metallbefestigung für die Schiffsleiter fest. In der anderen hielt sie die Flöte des Kapitäns, deren Löcher sie mit Schiffsteer aus Zakynthos verstopft hatte. Das eine Ende der Flöte stakte aus dem schäumenden Wasser. Das andere Ende steckte zwischen ihren Zähnen und ihren zusammengepressten Lippen. Durch dieses Rohr atmete sie.
Erst als die Suche beendet war und das Schiff Fahrt aufnahm, um die verlorene Zeit wieder aufzuholen, ließ sie los. Sie blieb zurück und begann, mit kräftigen Zügen zum Festland zu schwimmen.
Halos Kondition war gut, aber als sie schließlich eine kleine, sandige Bucht erreichte, war sie völlig erschöpft. Die Küste war stark zerklüftet, und es hatte eine Weile gedauert, bis sie die kleine Bucht entdeckt hatte, in die sie schließlich geschwommen war, vorbei an scharfen Unterwasserfelsen und gefährlichen Strudeln … Ihre Glieder waren so schwer, dass sie nicht mehr stehen konnte. Sie lag, nach Luft schnappend, in den auslaufenden Wellen und spürte, wie sich unter ihr der Sand in den flachen auf und ab kräuselnden Wellen bewegte.
Aber nach einiger Zeit bekam sie Angst, sie könnte dort im Wasser einschlafen und wieder fortgespült werden. Sie schleppte sich über den Strand und legte sich schlapp wie ein Häuflein Tang in die Nachmittagssonne.
Allmählich kam sie wieder zu Atem und lächelte. »Chelonakimu«, flüsterte sie und hörte Kyllaros’ Stimme. Meine kleine Schildkröte . Erneut vom Meer ausgespuckt – nur dieses Mal durch eigener Hände Kraft. Sie dankte Poseidon und versprach, ihm zu opfern, sobald sie dazu in der Lage wäre. Mit zitternden Muskeln setzte sie sich auf. Die Sonne wärmte immer noch, und so streifte sie ihren Chiton ab und breitete ihn zum Trocknen auf einem Felsen aus. Sie schüttelte ihre Müdigkeit ab und ging zu den schwarzen Felsen hinunter, die die Bucht säumten. Auf dem Weg dorthin hob sie einen flachen, scharfkantigen Stein auf.
Sie tauchte knapp unterhalb der Wasseroberfläche zwischen Schaum und Algenwedeln und spähte in Felsspalten und Risse im Gestein, bis sie fand, wonach sie suchte: spitze, kleine schwarze Erhebungen, Seeigel, die fest an den Felsen hafteten. Vorsichtig, um sich nicht an ihren kleinen giftigen Stacheln zu verletzen, löste sie sie mithilfe ihres scharfen, flachen Steins ab. Wieder am Strand löffelte sie die nahrhaften orangefarbenen Eier aus der Unterseite der Seeigel. Sie schmeckten köstlich – salzig und frisch –, und sie spürte, wie neue Kraft durch ihre Adern strömte. Sie aß auch ein wenig von den Algen und legte ein paar der flachen, nassen Blätter zum Trocknen aus, um sie als Wegzehrung mitzunehmen.
Ausgekühlt und nass wie sie war, legte sie sich zum Schlafen an den Strand, wurde aber früh am nächsten Morgen von der Sonne geweckt. Sie entdeckte einen kleinen Bach, wusch sich das Salz vom Körper und ließ sich in der Sonne trocknen. Aufgewärmt, noch satt von den Seeigeleiern, erfrischt vom Wasser des Baches, mit getrockneten Algen in einer Falte ihres Chitons, barfuß und frei, kletterte Halo hinter der Bucht auf die Felsen hinauf und machte sich auf den Weg nach Hause.
Sie ließ das Meer zu ihrer Linken und ging Richtung Norden, über Steine und Dünen, immer die Steilküste entlang. Sie aß Trauben von wilden Reben und Brombeeren aus dem Unterholz. In klaren Nächten hatte sie manchmal über dem Meer die großen Feuer gesehen, die die Menschen an Feiertagen entfachten. In der Stadt wollte sie sich ein Boot suchen, das sie nach Hause bringen würde, und dann wäre alles wieder gut.
Doch die Küste verlief in starken Windungen und nahm immer wieder eine andere Richtung. Sie führte durch kleine, tief eingeschnittene Buchten und über große felsige Berge. Halo entschied sich für eine Abkürzung direkt nach Norden und wollte entlang der Küste weitergehen, wenn sie den Gebirgsabschnitt überwunden hätte. Aber als sie das Meer schließlich wieder erblickte, lag es tief unter ihr am Fuß der felsigen Steilküste. Deshalb ging Halo weiter über Land nach Norden.
Wenn ich mich links halte, komme ich später wieder zur Küste, dachte sie, aber es war wie verhext, sie wurde immer wieder nach rechts abgedrängt, erst durch breite Buchten, dann durch einen ins Meer fließenden Fluss und schließlich durch mehrere, tief eingeschnittene, dunkle Schluchten, deren zerklüftete Felsen dicht mit Pinien bewachsen waren. Schließlich kam sie immer tiefer in einen Wald hinein. Sie versuchte,
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