Halo
gehindert, mit ihm auszugehen?»
«Wir waren nicht sicher», sagte Gabriel. «Seine Sinne waren sehr verschlossen; es war beinahe unmöglich, irgendwelche Informationen zu erhalten. Es hätte auch nichts dahinterstecken können, und wir wollten dich nicht unnötig beunruhigen.»
«Menschen mit großen Sorgen können ebenfalls eine dunkle Aura haben», fügte Ivy hinzu. «Sie kann die Folge vieler Dinge sein – von Tragödien, Trauer, Schmerz …»
«Und bösen Absichten», fügte ich hinzu.
«Davon auch», gab Gabriel zu. «Wir wollten nicht vorschnell urteilen, aber wenn dieser Junge weiß, was wir sind, dann besteht die Möglichkeit, dass er … nun, dass er stärker ist als ein normaler Mensch.»
«Wie viel stärker?»
«Ich weiß es nicht», antwortete Gabriel. «Es sei denn … du glaubst doch nicht, dass Xavier vielleicht …» Seine Stimme erstarb.
Ich warf ihm einen wütenden Blick zu.
«Xavier würde niemandem unser Geheimnis verraten», sagte ich. «Ich kann nicht glauben, dass du auch nur daran denkst. Mittlerweile solltest du ihn kennen.»
«Okay. Sagen wir, Xavier hat nichts damit zu tun», sagte Gabriel. «Irgendwas an diesem Jake Thorn ist nicht normal – ich spüre es, und das tust du auch, Bethany.»
«Was sollen wir also tun?», fragte ich.
«Wir müssen Zeit gewinnen», antwortete Gabriel. «Es wird sich von allein ergeben. Wir dürfen nichts übereilen. Wenn er wirklich gefährlich ist, wird er sich bald zu erkennen geben.»
Als wir nach Hause kamen, bot Ivy mir eine heiße Schokolade an, aber ich lehnte ab. Ich ging nach oben, zog mir das Kleid aus und hatte dabei das Gefühl, als wäre eine große Last von meinen Schultern gefallen. Alles war so schön gewesen, und nun schien dieser eine Junge alles zu zerstören. Ich zog mir die Perlen aus dem Haar und wischte mir die Schminke ab. Plötzlich fühlte ich mich wie eine Betrügerin. Es war zu spät, um Xavier anzurufen, auch wenn ich wusste, dass es mir bessergehen würde, wenn ich mit ihm sprach. Stattdessen zog ich meinen Schlafanzug an, kroch ins Bett und umklammerte das Stofftier, das Xavier mir zum Trost geschenkt hatte. Ich ließ die Tränen durch meine geschlossenen Lider auf das Kissen fallen. Meine Angst war verschwunden. Stattdessen war ich nur noch traurig. Wie sehr ich mir wünschte, dass alles klar und einfach wäre! Warum war unsere Mission mit so vielen Komplikationen beladen? Ich wusste, dass das kindisch war, aber ich empfand eine große Ungerechtigkeit. Ich war zu erschöpft, um noch lange gegen den Schlaf anzukämpfen, aber beim Einschlafen wusste ich, dass uns allen ein Sturm bevorstand.
Das ganze Wochenende lang hörte ich nichts von Xavier. Ich schloss daraus, dass er nichts von dem Vorfall auf dem Abschlussball gehört hatte, und wollte ihm keinen unnötigen Ärger machen. Ich war so damit beschäftigt, mir wegen Jake Sorgen zu machen, dass ich mich noch nicht mal darüber wunderte, dass Xavier nicht anrief. Normalerweise vergingen kaum ein paar Stunden, ohne dass wir miteinander sprachen.
Im Gegensatz dazu musste ich nicht lange darauf warten, etwas von Jake Thorn zu hören. Als ich am Montagmorgen meinen Spind öffnete, fiel ein Stück Papier heraus und segelte langsam zu Boden. Ich hob es auf, in der Meinung, es sei eine Nachricht von Xavier, die mich zum Seufzen bringen würde oder zum Kichern. Doch es war nicht Xaviers Handschrift. Es war dieselbe geübte, scharfe Kalligraphie, die ich aus dem Literaturunterricht kannte. Als ich las, was auf dem Zettel stand, gefror mir das Blut in den Adern:
Der Engel kam
Der Engel sah
Der Engel fiel
Ich zeigte Gabriel den Zettel. Er las ihn und zerknüllte ihn schweigend. Ich versuchte den Rest des Tages nicht an Jake zu denken, aber das war nicht einfach. Xavier war nicht in der Schule, und ich wollte unbedingt mit ihm sprechen. Freitag schien eine Ewigkeit her zu sein, so viel war seitdem geschehen.
Der Tag zog wie in grauem Nebel an mir vorbei. Nur fünf Minuten lang erwachte ich zum Leben, als ich mir während der Mittagspause Mollys Handy lieh, um Xavier anzurufen, aber als seine Mailbox anging, versank ich wieder im Grau. Ohne jeden Kontakt zu ihm fühlte ich mich lethargisch und schwer. Eine Wolke schien sich über meine Sinne gelegt zu haben, und ich konnte keinen der Gedanken, die durch meinen Kopf zogen, fassen, so schnell verschwanden sie wieder.
Als die Schule vorbei war, fuhr ich mit meinen Geschwistern nach Hause. Noch immer hatte ich nichts
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