Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan
räudiger grauer Pudel mit einem rosafarbenen Nietenhalsband versperrte uns den Weg. Zwischen seinen Vorderpfoten lag ein totes Eichhörnchen.
Der Pudel schaute uns neugierig an. Wir ihn ebenfalls.
»Douglas.« Pinckney stieß einen kurzen, scharfen Pfiff aus. »Hierher.«
Douglas sprang auf, packte das Eichhörnchen mit den Zähnen und trottete um uns herum.
Ich hörte Scharren und dann ein Knallen, während ich mit Emma zum Auto zurückkehrte.
»Netter alter Kerl«, sagte Emma.
»Douglas?«
»Pinckney.«
»Wenn schmuddelig nett ist.«
Emma warf mir einen Blick zu.
Ich ließ das Auto an, wendete und holperte die Auffahrt hinunter.
»Douglas?«, fragte Emma.
»Das Halsband ist ziemlich gewagt, aber bei Douglas funktioniert es. Betont seine Augen.«
»Wie stehen die Chancen, dass der Alte wirklich bestohlen wurde?«
»Wie stehen die Chancen, dass ich zum diesjährigen American Idol werde?«
»Dann waren es schon zwei«, sagte Emma, als wir die Teerstraße erreichten.
»Der Mann im Baum. Der Mann am Meeressaum.«
»Hübscher Reim.«
»Irisches Blut. Übrigens, wie geht’s denn deinem heute?«
»Bin ein bisschen müde, aber sonst ganz okay.«
»Ehrlich?«
Sie nickte.
»Gut.«
Emma fragte mich nicht, ob ich ihr bei der Skelettanalyse des Mannes vom Baum helfen würde. Die Antwort kannten wir beide. Außerdem wussten wir, dass Gullet einige Nachforschungen anstellen und dass er ziemlich skeptisch sein würde, was meine Mitarbeit an einem zweiten Fall betraf.
Ich fuhr direkt in die Leichenhalle und stellte mir dabei das Gespräch vor, das er mit Emma führen würde.
Nachdem Emma Gullet angerufen hatte, um ihm zu berichten, was wir herausgefunden hatten, wurde der Dienstagnachmittag eine Wiederholung des Samstagvormittags. Derselbe Kühlraum. Derselbe Autopsiesaal aus Fliesen und Edelstahl. Derselbe Geruch nach desinfiziertem Tod.
Miller hatte dem Toten vom Baum die Nummer CCCC-2006020285 gegeben.
Nachdem wir uns umgezogen hatten, verfrachteten wir CCCC-2006020285 aus seinem Leichensack auf den Autopsietisch. Zuerst den noch zusammenhängenden Hauptteil, dann den Schädel und schließlich die Teile, die entweder abgefallen oder von Aasfressern abgerissen und davongeschleift worden waren.
Hirn und innere Organe waren verschwunden. Torso, Arme und die oberen Beinknochen waren noch von Muskeln und Bändern umhüllt, an einigen Stellen verwest, an anderen von Sonne und Wind braun verfärbt und ledrig. Auch wenn es die skelettale Analyse eher behinderte, war das Fleisch doch ein potenzieller Bonus für eine schnelle Identifikation. Gewebe bedeutet Haut. Haut bedeutet Fingerabdrücke.
Ein Jackenärmel hatte die rechte Hand geschützt und so ihre vollständige Mumifizierung verhindert. Aber die Verwesung hatte das Gewebe extrem fragil gemacht.
»Hast du GSL?«, fragte ich Emma. Gewebe-Stabilisierungslösung, eine mit Zitronensäure gepufferte Salzlösung, mit der man vertrocknetes oder beschädigtes Gewebe restaurieren kann.
»Ein Geschenk meines Lieblings-Balsamierers.«
»Bitte erwärme sie auf etwa fünfzig Grad.« Wie schon beim Dewees-Fall überließ Emma mir auch jetzt die Leitung der Untersuchung. Ich wusste nicht, wie lange sie damit durchkommen würde, aber ich war entschlossen, meine Arbeit zu tun, bis jemand Stopp sagte.
»Mikrowelle?«
»Okay.«
Nachdem Emma gegangen war, trennte ich sämtliche Finger der rechten Hand am ersten Fingerglied ab. Als sie zurückkehrte, legte ich die Finger in die Lösung und stellte sie beiseite, damit sie sich vollsaugten.
»Was dagegen, wenn ich für eine Weile verschwinde? Da ist ein Todesfall auf einer Baustelle, um den ich mich kümmern muss. Wenn die Abdrücke fertig sind, gib sie bitte der Assistentin; sie leitet sie dann an Gullet weiter.«
»Kein Problem.«
Die skelettale Untersuchung verlief völlig problemlos. Und, bis auf die mühselige Arbeit des Aufschneidens und Abziehens von Gewebe, ganz ähnlich wie die samstägliche Untersuchung des Unbekannten von Dewees.
Die Wirbelsäule war am schwierigsten in ihre Einzelteile zu zerlegen. Während sie einweichte, machte ich mich an die Knochen, an denen das Fleisch weniger zäh hing.
Schädel- und Beckenform deuteten darauf hin, dass dieses Opfer ein Mann gewesen war.
Dentale Indikatoren sowie Merkmale von Rippen und Schambeinfuge ergaben ein Alter zwischen fünfunddreißig und fünfzig Jahren.
Charakteristika der Schädel- und Gesichtsarchitektur sagten mir, dass seine Vorfahren aus
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