Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan
Europa gekommen waren.
Noch ein Weißer in seinen Vierzigern.
Hier endeten die körperlichen Ähnlichkeiten.
Während der Mann von Dewees ziemlich groß gewesen war, deuteten die Maße der langen Röhrenknochen dieses Mannes darauf hin, dass er nur zwischen eins fünfundsechzig und eins siebzig gemessen hatte.
Ersterer hatte lange, blonde Haare gehabt. Dieser Kerl hier kurze, braune Locken.
Im Gegensatz zum Mann von Dewees wies dieser hier keine Zahnrestaurationen auf, und es fehlten ihm drei obere Backenzähne sowie ein oberer Eckzahn. Die unteren mussten ein Geheimnis bleiben, da ich keinen Unterkiefer hatte. Flecken an den Zahninnenseiten deuteten darauf hin, dass der Verstorbene dem Nikotin zugesprochen hatte.
Nachdem ich das biologische Profil abgeschlossen hatte, machte ich mich auf die Suche nach skelettalen Abnormitäten. Wie üblich suchte ich nach angeborenen Besonderheiten, Knochenveränderungen aufgrund von ständig wiederholten, gleichförmigen Bewegungen, verheilten Verletzungen und Hinweisen auf Krankheiten.
Der Mann vom Baum hatte einiges einstecken müssen, darunter ein gebrochenes, rechtes Wadenbein, Brüche der Wangenknochen und eine Verletzung am linken Schulterblatt, alle verheilt. Die Röntgenaufnahmen zeigten eine ungewöhnliche Lichtundurchlässigkeit des linken Schlüsselbeins, was auf eine weitere alte Fraktur hindeuten konnte.
Der Mann war nicht groß, aber ein Raufbold gewesen. Und einer mit guten Selbstheilungskräften.
Ich richtete mich auf, bewegte die Schultern und dann den Kopf. Mein Rücken fühlte sich an, als wäre eine ganze Football-Mannschaft darübergetrampelt.
Sechzehn Uhr vierzig. Zeit, nach den Fingern zu sehen.
Das Gewebe war schön weich geworden. Mit einer kleinen Spritze injizierte ich GSL unter die Haut. Die Fingerspitzen wurden prall. Ich wischte jede mit Alkohol ab, tupfte sie trocken, drehte sie auf dem Stempelkissen und drückte sie dann auf die entsprechenden Kästchen des Fingerabdruck-Formulars. Die Details der Schleifen und Windungen zeichneten sich einigermaßen klar ab.
Ich rief die Assistentin an. Sie holte die Abdrücke, und ich wandte mich wieder den Knochen zu.
Postmortale Beschädigungen waren auf die unteren Beine beschränkt. Kauspuren und Splitterungen, kombiniert mit einigen kleinen, runden Einstichwunden, die darauf hindeuteten, dass die Schuldigen wahrscheinlich Hunde gewesen waren.
Ich fand keine Hinweise auf Verletzungen zum Zeitpunkt des Todes, nichts, was darauf hindeutete, dass die Todesursache etwas anderes als die offensichtliche gewesen sein könnte: Erstickung durch Zusammenpressen der Halsstrukturen. Für Laien: Tod durch Erhängen.
Emma rief um sieben an. Ich brachte sie auf den neuesten Stand. Sie sagte, sie habe vor, kurz im Büro der Sheriffs vorbeizuschauen, um Gullet »Feuer unterm Hintern zu machen«.
Beim Auflegen merkte ich, dass ich Hunger hatte, und ging deshalb in die Cafeteria. Nach einer exquisiten Mahlzeit aus Lasagne mit zu wenig und Salat mit zu viel Sauce kehrte ich in den Autopsiesaal zurück.
Obwohl einige Fragmente noch immer zu wenig aufgeweicht waren, konnte ich doch den Großteil des Rückgrats von seiner Umhüllung aus verfaultem Muskelgewebe befreien. Ein besonders widerspenstiges Teilstück ließ ich weiter in der Flüssigkeit einweichen und legte die anderen, nun befreiten Hals- und Brustwirbel zusammen mit den beiden Nackenwirbeln, die ich von der Schädelbasis gelöst hatte, in eine Schale.
Danach arbeitete ich mich mithilfe des Mikroskops langsam von C-1 nach unten. Keine Überraschungen, bis ich zu C-6 kam.
Da war der Wirbelkörper. Da war der Bogen. Da waren die Querfortsätze mit ihren kleinen Löchern für die Schädelgefaße.
Und da, auf der linken Seite, war der Gelenkbruch.
Ich stellte Vergrößerung und Lichteinfall neu ein.
Keine Frage. Ein Haarriss verlief über den linken Querfortsatz, ausgehend von gegenüberliegenden Seiten des Foramens.
Es war genau das Muster, das ich bei dem Dewees-Skelett gesehen hatte. Die Wirbelverbindungen und das Fehlen von Knochenreaktionen sagten mir, dass dieser Bruch eine Folge von Gewaltanwendung auf frischen Knochen gewesen war. Auch diese Verletzung war dem Opfer zum Zeitpunkt des Todes zugefügt worden.
Aber wie?
C-6. Der untere Hals. Zu weit unten, um eine Folge des Erhängens zu sein. Obwohl der Kopf abgefallen war, wahrscheinlich aufgrund der Einwirkungen durch Aasfresser, war die Schlinge zwischen C-3 und C-4 eingebettet
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