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Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan

Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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aufmachen sollten«, sagte ich.
    Miller zog schwere Lederhandschuhe an, schob das Ende des Brecheisens unter den Deckelrand und stemmte. Das Ding rührte sich nicht.
    »Das Scheißding haben Sie aber ziemlich gut festgeklopft«, sagte sie schließlich.
    »Das war das Adrenalin.«
    Nachdem Miller den Deckel an mehreren Stellen ein wenig gelockert hatte, schob sie das Brecheisen so tief es ging zwischen Deckel und Fassrand und drückte die Stange mit ganzer Kraft nach unten. Der Deckel öffnete sich halb, Rostpartikel regneten auf den Boden. Miller schob die Finger in die Öffnung, zog in Abständen am Deckelrand und riss ihn dann kräftig nach oben. Die Metallscheibe sprang ab.
    Ein kalter, feuchter Geruch drang aus dem Fass. Verfaulte Wasserpflanzen. Schales Salzwasser. Und noch mehr. Der Geruch des Todes.
    Miller legte den Deckel zur Seite, nahm eine Taschenlampe zur Hand, und beide beugten wir uns über das Fass.
    Die Gestalt war menschlich und doch nicht menschlich, eine groteske Reproduktion in Wachsweiß. Sie kauerte zusammengekrümmt, den Kopf zwischen den Knien, im Fass.
    Miller Nasenlöcher wurden schmal. »Kann sein, dass Sie bei dem da aus dem Schneider sind, Doc.«
    Ich war mir da nicht so sicher. In feuchter Umgebung können Hydrierung und Hydrolyse des Körperfetts zur Bildung eines Stoffes fuhren, der Fettsäuren und Glycerin enthält. Diese schmierige, manchmal wächserne Substanz bezeichnet man als Adipocire oder Leichenwachs.
    Hat sich dieses Leichenwachs gebildet, kann es sich sehr lange erhalten und dabei praktisch einen Abdruck des Fettgewebes bilden. Ich hatte schon Leichen gesehen, bei denen die Adipocire die äußere Form des Körpers und des Gesichts bewahrt hatte, während die Verwesung sämtliche Eingeweide bereits in Suppe verwandelt hatte.
    »Die Leiche wurde mit den Füßen zuerst hineingesteckt und dann zusammengeschoben«, sagte Miller.
    »Oder das Opfer wurde gezwungen, hineinzusteigen und sich hinzukauern«, überlegte ich.
    »Nackt.«
    »Sieht klein aus.« Ich redete, ohne groß nachzudenken, übermannt von der üblichen Mischung aus Trauer und Wut.
    »Weiblich?« Angespannt. Miller ging es ähnlich wie mir.
    »Ich möchte lieber keine Spekulationen anstellen.«
    Aber ich wusste es bereits. Ich hatte zu viele ermordete Ehefrauen, Studentinnen, Stieftöchter, Kellnerinnen, Prostituierte gesehen. Mein Geschlecht war immer das schwache, dasjenige, das die Schläge einsteckte.
    »Viel Sand«, sagte ich und kanalisierte meine Wut in Konzentration. »Wahrscheinlich hineingeschüttet, um das Fass zu beschweren.«
    »Steine wären da besser gewesen«, sagte Miller. »Ein Treffer von einer Schiffsschraube, eine erodierte Stelle, und der Sand rieselt raus. Ist wahrscheinlich der Grund, warum das Fass auftauchte und ans Ufer gespült wurde.«
    »Legen wir sie auf den Tisch«, sagte ich.
    Gemeinsam senkten wir den Handkarren ab, so dass er flach auf dem Betonboden lag. Wir arbeiteten behutsam, als hätten wir Angst, die Insassin des Fasses zu stören. Aber das war Unsinn. Ihr machte das nichts mehr aus.
    Miller setzte eine Schutzbrille auf, ließ die Kettensäge an und schnitt das Fass zweimal der Länge nach und am Boden auf und hob dann das Teilstück ab, das über der Leiche lag.
    Die Überreste steckten mit dem Rücken nach unten in der unteren Hälfte des Fasses, der Kopf zwischen stark abgewinkelten Knien. Ich konnte Abschürfungen in der Adipocire erkennen, wo Knie und Schienbeine an der Innenseite des Fasses gescheuert hatten.
    Während ich geduscht und mich umgezogen hatte, hatte Miller eine Plastikplane über eine Rollbahre gelegt. Jetzt nahm sie Schutzbrille und Handschuhe ab und schob die Bahre in Position. Gemeinsam hoben wir die abnehmbare Schale an und stellten sie neben dem Fass auf den Boden. Nachdem ich Gummihandschuhe angezogen hatte, nahm ich den Kopf und Miller den Hintern.
    »Fertig?« Angespannt.
    Ich nickte.
    Prüfend hoben wir die Leiche an. Das seifige Fleisch hielt.
    »Okay«, sagte ich.
    Zentimeter um Zentimeter machten wir weiter und achteten dabei darauf, nirgendwo hängen zu bleiben. Langsam gab das Fass seine Gefangene frei. Einen Augenblick hielten wir inne, um faulige Flüssigkeit abtropfen zu lassen. Dann nickte ich. Wir traten einen Schritt zur Seite, legten die Leiche in die Schale und hoben die Schale wieder auf die Bahre. Dann ging ich um die Bahre herum.
    Obwohl das Fleisch grotesk entstellt war und sich Haut und Haare ablösten, konnte ich an den

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