Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall
hineinbat. »Wir haben hier
massiven Platzmangel, und ich muss mir meinen Arbeitsplatz mit unserem
Chefanimateur teilen.«
»Ist
der Animateur sicher, dass er ein Mann ist?«, grunzte Dalga und gab dem
Garderobenständer einen verächtlichen Stoß.
»Wer
kann das heutzutage schon so genau sagen, was oder wer man ist. Für Renato
Contador will ich keine eindeutige Aussage treffen, aber er ist ein
einzigartiges Schauspieltalent – Sie haben die Plakate in der Stadt bestimmt
gesehen, namentlich dort, schätze ich, wo Ihnen die Touristinnen schamlose
Blicke zuwerfen. Seine Travestie-Show ist über die Mauern dieses Hotels hinaus
weit bekannt, ich kann mich geehrt fühlen, dass ich mein braves, biederes
Handwerk neben einem solchen Manne verrichten darf.«
»Sie
haben wohl völlig den Verstand verloren! Ehre! Am liebsten würde ich diesen
Deutschen sofort in mein eigenes Dienstzimmer bugsieren lassen, was soll er nur
denken, aber da ich dem Direktor versprochen habe, so diskret wie möglich
vorzugehen ... meine Güte, nach was riechen denn diese Federdinger? Ist das Parfum ?«
Bülbül
saß hinter dem Schreitisch, die Arme verschränkt, und beobachtete Gregor
Matuschke, der wie der Kommissar mit der Nase zuckte, als hätte auch er
Witterung nach dem schweren Parfum aufgenommen, das den Abendkleidern von
Renato entströmte. Er sah aus, dachte Bülbül, wie ein aufgeblähtes Kaninchen,
die Stupsnase, die so wenig zu seinem massigen, runden Kopf passte, zitterte,
die Nasenlöcher blähten sich, und Matuschke sog mit einem grunzenden Geräusch
hektisch Luft ein, als gäbe es nur noch für wenige Sekunden Sauerstoff im Raum.
Er hatte die Finger über dem massigen Bauch ineinander gehakt und spielte
nervös mit seinen Daumen. Vor der Tür wartete seine Gattin, eine energische
Person, fand Bülbül, die Gift und Galle gespuckt hatte, als Bülbül sie höflich
gebeten hatte, draußen zu warten, da nur ihr Mann und nicht sie selbst Zeuge
des Geschehens gewesen war. Eine unerträgliche Person, diese Bernadette, das
kann ich Ihnen sagen, meinen Gregor hat sie verfolgt, hinter ihm her war sie
wie der Teufel hinter dem Weihwasser, wenn Sie verstehen, was ich meine, aber
er hat mit der ganzen Sache nix zu tun, weiß der Himmel, weshalb sie keinen
Kopf mehr hat, jedenfalls nicht wegen meinem Gregor! Bestimmt ein technischer
Defekt, hier in der Türkei gibt es doch garantiert keinen TÜV für Rutschen und
ähnliches und außerdem ...!
Auf
einen kurzen Wink von Bülbül hatte Taylan Dogulu Frau Matuschke höflich aber
bestimmt auf einen Klappstuhl gedrückt und die Tür geschlossen. Zum Zeichen,
dass sie dennoch da war und sich nicht so einfach von einem hergelaufenen
Polizisten befehlen ließ, donnerte Frau Matuschke alle paar Minuten mit einem
spitzen Pfennigabsatz gegen die Tür, was ihren Gatten allerdings nicht zu
beruhigen schien, denn er zuckte jedes Mal zusammen und riss die Augen auf, als
hätte er Angst, dass die beiden Männer hinter dem Schreibtisch ihn für das Verhalten
von Mathilde bestrafen würden.
»Fahren
Sie fort, Herr Matuschke, Ihre Erinnerungsgabe ist wirklich beeindruckend.«,
bemerkte Bülbül aufmunternd, nachdem er den ersten Part der Erzählung für den
Kommissar übersetzt hatte.
»Nun,
ich war schon fast auf dem Weg zur Leiter, als Berna ... als Frau Fischbach von
der Dusche her auftauchte. Sie trat heraus, aus der Dusche, meine ich.
Pitschnass.«
»Welche
Dusche?«
»Die
Außendusche, direkt neben den Toilettenhäuschen, also diesem Haus, meine ich,
in dem die Toiletten sind, aber ich glaube, da ist noch anderer Kram drin
verstaut, für den Garten und so. Aber egal, aus dieser Dusche kam sie
jedenfalls, und ich weiß, dass ich wie vom Donner gerührt war, denn ich bin
immer der Erste morgens, immer der Erste, der an der Rutsche ist!«
Bülbül
lauschte dem fernen Anklang von Empörung und Wut in Matuschkes Stimme, lehnte
sich zurück und fragte:
»Sie
benutzen also jeden Morgen als Erster die Rutsche, lange bevor jemand aus dem
Hotel dort ist? Das heißt, Sie sind immer ungewöhnlich früh unterwegs. Wollen
Sie im Urlaub denn nie ausschlafen wie alle anderen Gäste? Gehen Sie dann auch
schwimmen oder nutzen die Morgenstunden zu anderen sportlichen Aktivitäten?«
»Nein,
nein, Sie müssen verstehen!«
Gregor
Matuschke beugte sich vor und sein Gesicht rötete sich vor Eifer, seine Augen
verloren ihre matte Ausdruckslosigkeit, als hätte der Gedanke an die
Wunderschöne das Valium und den Alkohol
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