Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall
Ausschnitt und auf den mächtigen Oberarmen stark
gerötet war. Bei dem Sonnenbrand, überlegte er, musste sie Höllenquallen
gelitten haben, als sie sich in dieses Hemdchen quetschte. Große Kreolen schlenkerten
an ihren Ohren und sie hatte den Mund zu einem lauten Lachen geöffnet, das
nicht bis zu ihren Augen gelangt war. Leblose Knopfaugen starrten Bülbül an.
»Es
ist nicht so,«, fuhr Matuschke fort, »dass ich etwas gegen ein bisschen
weibliche Aufmerksamkeit hätte, bin ja schon über zehn Jahre verheiratet, da rostet
man als Paar ein wenig ein, und es passiert mir ja nicht gerade oft, dass die
Frauen mir hinterher pfeifen, muss ich zugeben. Aber diese Frau war einfach die
Pest, da können Sie fragen wen Sie wollen, zum Beispiel den Klaus
Enderle-Riemann, den haben wir ganz am Anfang hier kennen gelernt, meistens
teilen wir einen Tisch abends, nette, lustige Leute, auch seine Frau, die
Katinka, und der Klaus, wie ich ja gerade gesagt habe, der ist auch verheiratet
mit der Katinka, oder fragen Sie den Dieter aus Paderborn. Bei allen hat sie es
versucht, und wenn sie einen nicht gerade plump angemacht hat, dann hat sie die
Runde mit ihren nervtötenden Geschichten und ihrer dämlichen Art in den
Wahnsinn getrieben.«
»Wie
meinen Sie das? Können Sie das näher beschreiben?«
»Nun
... wenn sie nicht einen auf Famm Fasan gemacht hat, dann...«
»Bitte?«
»Famm
Fasan, FAMM FASAN, das ist eine Frau, die hinter allem her ist was Hosen trägt.«,
erläuterte Matuschke gnädig und entspannte sich zusehends. Bildungsmäßig ist
der Türke nicht gut aufgestellt, dachte er, das ist schon klar, da muss er noch
warten und ein wenig die Schulbank drücken, bis wir ihn in die EU aufnehmen.
Bülbül
nickte Matuschke freundlich zu und freute sich schon auf den Moment, an dem er
Renato den Famm Fasan hinwerfen würde, sobald Contador das nächste Mal seine
Federboa über die Schulter gleiten lassen, seinen Zigarettenhalter aus dem Mund
nehmen und sich selbst im Spiegel zärtlich anschmachten würde: Renata, du
bist die gefährlichste und aufregendste Femme Fatale, die mir je begegnet ist! Dann käme er, Kadir, blitzartig mit dem Famm Fasan um die Ecke!
»Sie
hatte eigentlich nur zwei Themen: Ihre Krankheiten und ihren Body .
Einerseits hat sie haarklein erzählt, was sie in den letzten Monaten alles für
Operationen und Zipperlein hinter sich hat, und andererseits hat sie sich
ständig mit allen Frauen im Hotel verglichen und festgestellt, dass sie mit
ihren Ende Vierzig noch besser, knackiger, wilder, sportlicher ist als jede
andere und vor allem: Jede Jüngere. Ich erinnere mich, dass sie eines Morgens,
als Chantal gerade ihr Frühstücksei pellte, an unserem Tisch auftauchte, mit
ihrem Finger auf das Ei tippte und verkündete, dass ihr Frauenarzt ihr neulich
noch gesagt hätte, dass sie prima Eier in ihren Eierstöcken hätte. Eins-A Eier,
Eier wie von einer Zwanzigjährigen und es sei, wie Berna ... Frau Fischbach
betonte, möglich, dass sie tatsächlich vor fünfundzwanzig Jahren in ihr
entstanden seien und ihr Körper sie in weiser Voraussicht all die Jahre dort
gehortet habe, bis der Richtige käme. Und glauben Sie mir: Sie wollte einen
nicht verarschen, die hat an alles geglaubt, was sie von sich gab.«
Bülbül
legte das Foto beiseite. Nach dem ersten Eindruck eine dumme, eine lästige
Frau. Aber auch eine Frau, die offensichtlich mit dem Alter nicht zurande kam
und ziemlich wahrscheinlich niemanden hatte, mit dem sie ihre Ängste teilen
konnte. Eine, mit der seine Mutter Mitleid haben würde, er, Kadir, aber nicht.
»Sie
hatten sich also nicht mit ihr an jenem Morgen am Pool verabredet?«
»Um
Himmels willen, NEIN! Ich wollte meine Ruhe haben! Sie hat gesagt, dass sie
sich spontan zum Schwimmen entschlossen hätte, und ich hab mich noch gewundert,
weil sie den Abend vorher wieder den Schluckspecht gegeben hat. Die hätte
schnarchend im Bett liegen müssen, die war in der Disco voll bis obenhin, hat
zum Schluss nur gelallt und ist auf die Tanzfläche geknallt!«
»Wenn
Frau Fischbach also so betrunken war, dass man nicht erwarten konnte, sie am
nächsten Tag bei Sonnenaufgang zu treffen und wenn es ihr dann wider Erwarten
tatsächlich besser ging und sie aus einem Impuls heraus gehandelt hatte, konnte
also wirklich niemand wissen, dass sie die Erste auf der Rutsche sein würde.«
Gregor
Matuschke nickte eifrig.
»Aber
es war bekannt, dass Sie jeden Morgen dort anzutreffen waren und mit
Sicherheit auch
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