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Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall

Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall

Titel: Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Fu , Asmin Deniz
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Hundes abgelichtet war.
    »Hier
der Strand, auf dem die Menschen in Badeanzügen und Badehosen züchtig und
anständig dahin schreiten, dort dann der Sand, in dem sich die Nackigen wälzen
und mit Sand panieren.«
    »Ja,
und das Schlimmste ist,« ereiferte sich sein Onkel und reichte ihm das nächste
Foto, auf dem etwas abgebildet war, das ebenfalls aussah wie ein gesprenkeltes
Hundefell, »dass sie mich den Sand der Nackigen nicht einmal mehr betreten und
fotografieren lassen. Das Nackigen-Hotel ist schon fertig, alle Gerüste sind
weg, aber um den Strandabschnitt stehen noch hohe Gitterzäune, wie eine
Festung. Ich habe die Befürchtung, dass sie sie stehen lassen, damit wir diese
FKK-Verrückten nicht sehen können, und dafür müsste man ihnen dankbar sein,
aber es sieht schlimm dort aus, die ganze Gegend völlig verschandelt von dem
elenden Zaun. Man könnte ihnen sagen, dass man die Nackedeis trotzdem sehen
kann, von den Klippen aus, oben, auf dem höchsten Punkt, hast du einen prima
Blick auf diesen Albtraum.«
    »Schon
getestet, Onkel Yusuf?«, lächelte Kadir.
    »Ja,
aber denk nicht, weil ich es in meinem Alter nötig hätte, auf diese Art und
Weise entblößtes Fleisch zu sehen, ich schwöre, dass ich mich übergeben werde,
wenn ich es jemals mitkriegen sollte, dass da so ein unbekleideter Ausländer in meinem Sand liegt und in unser Meer flitzt. Ich will meinen Sand
sehen! Ich will überall hingehen und überall für meine Kunst leben dürfen,
alles fotografieren können in unserem Ort. Ich bin hier geboren, ich habe
Rechte! Jawohl, Rechte, die habe ich! Den Ford Fiesta können sie gerne fahren,
den hab ich selbst gebaut, aber ich erhebe, denn Ihr wisst, ich bin großzügig,
keinen Anspruch auf ihn, aber meinen Strand müssen sie mir schon lassen! Ich
hoffe, mein Neffe, du wirst dich von diesem neuen Hotel nicht auch noch
anheuern lassen, stell dir vor, da kommt so ein Typ mit wackelndem, krebsrotem
Gemächte in dein Büro gehampelt und behauptet, die Türken hätten ihm die
Brieftasche geklaut! Aus welcher Tasche denn, will ich wissen?«
    Yusuf
Augen funkelten energisch, als hätte sich die Szene bereits ereignet, und seine
Finger zitterten empört, als er Kadir das nächste Foto, etwas heller, etwas
weniger Kiesel, in die Hand drückte.
    Kadir
sah seinen Vater an, der mit den Achseln zuckte. Kadirs Vater verbrachte den
Großteil des Tages in seinem Gemüsegarten und wenn er dort fertig war, ging er
nach Hause, wusch sich die Hände, und verbrachte den Rest des Tages in einem
Café unweit seiner Wohnung, sah fern, spielte Karten, trank Tee und ereiferte
sich über viele Dinge und Themen, aber nie wie sein Bruder Yusuf über die
Veränderungen, die in Dereköy vor sich gegangen waren, seit er das verschlafene
Dorf Ende der siebziger Jahre verlassen hatte. Es gab Dinge, die waren gut und
sie waren gleichzeitig schlecht, besser, man nahm sie hin und sparte sich die
Aufregung.
    Der
Meridian Club war das erste Touristendomizil gewesen, das damit begonnen hatte,
den clubeigenen Strandabschnitt so abzuschirmen und zu bewachen, dass ein
Spaziergänger nun mühsam durch das Meer waten oder den Umweg um die Außenseite
der Clubanlage nehmen musste, um seinen Strandspaziergang fortzusetzen. Die
übrigen Hotels verfolgten eine weniger rigorose Politik, damit ihren eigenen
Gästen nicht der Spaß an Strandwanderungen verloren ging, aber sie ließen ihre
Liegeplätze  – unter anderem von Kadir und seinen Leuten – minutiös und
erbarmungslos bewachen. So war es für die einheimischen Familien schwer
geworden, am Wochenende ein schönes und meernahes Fleckchen Strand zu finden,
von dem sie nicht sofort wieder vertrieben wurden, um großen, bleichen Menschen
aus dem Norden Platz zu machen, die anklagend und fordernd auf ihre bunten
Plastikarmbänder klopften und Sonnenschirme in den Boden rammten, als wären es
Fahnen, die für fremde Länder ein herrenloses Stück Erde in Besitz nahmen.
    Kadir
betrachtete das nächste Foto, ein ockerfarbenes Quadrat, in dessen Mitte eine
winzige Muschelschale auszumachen war.
    Sein
Onkel hatte Recht, sicherlich, fand er, aber Yusuf hatte eigentlich keinen
Grund sich zu beklagen. Er konnte überall hin, er durfte sich sogar, wie erst
am Vortage geschehen, zwischen zwei hübsche dänische Touristinnen legen, deren
Strandtücher energisch beiseite schieben, dass der Sand aufwirbelte und die
Familie dahinter aufgeregt quietschte, nur weil er exakt diesen Flecken für
sein Fotoshooting

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