Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall
...«
Matuschke hob einen Finger, »dann sollten Sie sich in jedem Fall noch mit
Herbert unterhalten. Mit dem saß ich gestern Nachmittag an der Poolbar und wir
haben uns den Kopp weggelacht über Bernie, über die Frau Fischbach, meine ich.
Makaber, so im Nachhinein, über jemanden zu lachen, der jetzt die Radieschen
von unten betrachtet, na ja, noch nicht ganz, sie liegt ja sicher noch in einem
Leichenschauhaus oder in der Gerichtsmedizin ... so wie beim Tatort ,
denk ich mir. Haben Sie hier in der Türkei eigentlich so etwas wie eine Gerichtsmedizin
oder ein Leichenschauhaus?«
Kopp weggelacht.
Bülbül
roch den stechenden Schweißgeruch, der von Dalga ausging, der immer näher gerückt
war, um an seine Anwesenheit zu erinnern.
»Doch,
ich denke, wir haben beides, eine Gerichtsmedizin und ein Leichenschauhaus, wir
kennen so etwas durchaus.«
»Erstaunlich.
Nun, sprechen Sie mit Herbert, der sagt, er kennt die Fischbach schon länger,
sie war im letzten Jahr im Sommer schon hier, damals allerdings im Dereköy
Star. Herbert kriegt alles mit, der ist ja quasi wie einheimisch.«
»Herbert,
aha. Herbert und wie weiter?« Bülbül zückte sein Notizbuch, in das er unauffällig
Bernadette Fischbachs Foto geschoben hatte.
»Schmalfuß.
Herbert Schmalfuß. Die sind beide aus Hamburg, da hatte die Fischbach direkt
einen Aufhänger und konnte ihm das Ohr abkauen.«
Kapitel 5
- Hadi masaya, masaya ! -
»Ey, bebegim , wo bleibst du denn, alles wartet auf dich, hat dein Vater dir
nicht eine wunderschöne Uhr zu deinem letzten Geburtstag geschenkt? Habe ich
dir nicht beigebracht pünktlich zu sein?«
Latife
Bülbül zerrte ihren Sohn in den Flur und schrie gleichzeitig auf: »Die Schuhe,
schnell schnell, zieh deine Schuhe aus, womöglich hast du Blut an den Sohlen
von dieser grässlichen Frauenleiche! Hatun teyze , Ayse und ich haben den
ganzen Nachmittag über nichts anderes gesprochen, und was für ein Glück, habe
ich ihnen gesagt, dass mein Sohn diesen Fall bearbeiten wird, im Handumdrehen
ist er gelöst, habe ich gesagt. Das wird er doch, oder, bebegim ? Wie
dumm stehe ich nachher da, wenn du ihn nicht aufklärst, aber was kann so schwer
daran sein, bestimmt hat sich die Ausländerin einfach nur töricht benommen,
nicht wahr?«
»Ich
will nichts versprechen, es scheint alles sehr kompliziert und willkürlich, wir
sind noch keinen Schritt weiter, und ...«
»Ha,
da ist sie doch!«, unterbrach Latife und deutete anklagend auf Kadirs
Handgelenk. »Du trägst die Uhr deines Vaters, warum kommst du also zu spät?«
» Anne, ich komme nicht zu spät, ich bin sogar zwanzig Minuten zu früh da,
siehst du, ich habe noch nicht einmal meine Uniform ausgezogen, ich bin direkt
von der Polizeistation hierher gerast!«
»Aber
dein Onkel und Nevin sind schon da, also bist du zu spät!«, triumphierte
Latife, ging ächzend in die Knie und drehte Kadirs Schuhe, die er achtlos
abgestreift hatte, so um, dass die Sohlen fest auf dem Boden standen. »Schuhe,
die auf dem Rücken liegen, bringen Unglück, Kadir, damit ist nicht zu spaßen,
wie oft soll ich es noch sagen? Wenn du mich liebst, denk bitte das nächste Mal
daran, ich bin auch nicht mehr die Jüngste und bücke mich nicht mehr so leicht,
oh, mein Kreuz, ich sage dir ... gut, dass wir womöglich bald eine Ärztin in
der Familie haben! So, und nun komm herein, warte, lass mich deine Krawatte richten
und ...«
Sie
bremste Kadir, nahm eine Wasserflasche, die ihr Mann auf der Kommode
stehengelassen hatte und befeuchtete ihre Hände, zog Kadirs Kopf mit einer
energischen Bewegung nach unten und strich ihm das widerspenstige Haar mit
barschen Bewegungen nach hinten.
»Aua,
du zerquetscht meinen Kopf, ich ...«
Kadir
hielt inne und dachte an den abgetrennten Kopf von Bernadette Fischbach, der
jetzt, hoffentlich mit seinem Körper vereint, in der Gerichtsmedizin lag. Er
fragte sich, ob man ihr die Augen gnädig geschlossen hatte, dachte an die
kalten Knopfpupillen, die während der "Spanischen Nacht" freudlos und
bar jeden Ausdrucks in die Kamera gestarrt hatten.
Wer
hatte sie so gehasst, dass er sie auf solch widerwärtige Weise umbringen
musste? Oder ging es doch um Matuschke?
Das
deutsche Konsulat war hilfreich gewesen, hatte die wesentlichen offiziellen
Informationen über Bernadette Fischbach rasch und effizient zusammengetragen
und Kommissar Dalga gemailt: 48 Jahre alt, Empfangssekretärin in einem
Ingenieurbüro, das auf offshore engineering spezialisiert war. Sie
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