Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall
türkische Hotelpersonal, das mit Frau
Fischbach in Berührung gekommen war, alleine verhören wollte und hatte Bülbül
mit einer wedelnden Geste und abgewandtem Kopf aus seinem Büro gescheucht.
Wutentbrannt war Bülbül mit geballten Fäusten durch den Flur in Richtung der
Lobby gestürmt, wo Seda und Schmalfuß in angeregtem Gespräch nebeneinander auf
einer Couch saßen und eisgekühlte Limonade tranken. »Wieso hatten Sie heute
morgen überhaupt Dienst, Seda?«, hatte er zusammenhanglos gemault und sich in
einen Sessel fallenlassen. Seda hatte ihn gar nicht beachtet sondern den Rest
der Limonade durch ihren Strohhalm geschlürft und sie schien von dieser
Tätigkeit völlig absorbiert. Sie klimperte mit den Eiswürfeln und entschloss
sich nach einer Schweigeminute ruhig zu antworten: »Maria hing auf dem Klo und
gab sich ihrer Morgenübelkeit hin. Wieso werden alle meine Kolleginnen
schwanger, es ist eine richtige Seuche! Da bin ich eingesprungen, weil ich ein
unglaublich netter, hilfsbereiter Mensch bin, der sogar keine Kosten und Mühen
scheut, nachlässige Sicherheitsleute über Dinge zu informieren, über die sie
selbst hätten Bescheid wissen müssen. Oder?«
»Ach,
Kadir, das ist ja furchtbar, einfach ekelhaft, wie kannst du uns so etwas beim
Essen erzählen?«
Latife
legte demonstrativ ihr Besteck beiseite und kreuzte die Arme. »Du bringst
deinen Onkel und Nevin nachher mit dem Auto bis vor die Haustür, ich will
nicht, dass die beiden durch die Straßen laufen und enthauptet werden!«
»Der
Mörder wird doch keinen Draht in den Gassen gespannt haben, anne !«
»Was
weißt du schon? Was für ein krankes Hirn denkt sich so etwas aus? Eine
Mordmaschine in einer harmlosen Schwimmbadrutsche, wo gibt es denn so etwas?
Wie lange wirst du brauchen, um den Mörder zu fangen, mein Sohn, was kann ich
meinen Freundinnen erzählen?«
Kadir
blickte auf. Alle hatten aufgehört zu kauen und sahen ihn erwartungsvoll an.
»Ich
werde mich beeilen, anne , aber ich hoffe, es wird Kommissar Dalga sein,
der den Fall aufklärt, sonst hasst er mich bis an sein Lebensende.«
»Sie
werden ihn entlassen, den unfähigen Kerl, wenn Sie anstatt der komiser den Mörder fangen!«, warf Nevin ein. »Es wird ohnehin Zeit, dass man ihn aus
dem Amt jagt! Ich hatte vor wenigen Monaten zwei Vergewaltigungsfälle kurz
hintereinander, die er mit den Worten kommentiert hat: Sehen Sie sich die
Mädchen an, so kurze Röcke, sind doch selbst schuld! Keinen Handschlag hat
er gerührt, um die Typen zu finden! Das einzige, was den interessiert, ist, in
Ruhe vor der Wache zu sitzen und Karten zu spielen und breitbeinig durch die
Stadt zu spazieren. Unglaublich. Auf seinen Posten muss ein gebildeter, ein
kluger Mann, so wie Sie, Kadir.«
»Ach,
Nevin, so gerne ich höre, dass man meinen Sohn für einen klugen Mann hält, so
muss ich doch für Kommissar Dalga ein gutes Wort einlegen, denn so schlimm ist
er nun auch wieder nicht!«, warf Nazmi Bülbül ein. »Als vor ein paar Monaten
meine Tomatenstauden entwendet wurden, brauchte er keine Woche um den Täter zu
schnappen. Das ist doch ganz ordentlich, oder?«
Kadir
sah Nevin an. Sie wollte etwas erwidern, blickte kurz zu ihm hinüber, und
schluckte es dann hinunter. Sie holte tief Luft. Ihr Mund verzog sich für den
Bruchteil einer Sekunde zu einem schmalen Strich, dann fasste sie sich rasch
und lächelte wieder.
»Ja,«
gab sie zu, »das ist ganz ordentlich.«
Kapitel 6
- Eine gepflegte Männerrunde -
Herbert
Schmalfuß balancierte ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte mit Extrasahne und
eine Tasse Kaffee zu einem Tisch, an dem bereits Dieter aus Paderborn und Gregor
Matuschke unter einem Sonnenschirm saßen, die nackten Beine ausgestreckt, jeder
eine Flasche Bier vor sich und einen Kuchenteller auf dem Bauch. Es war vier
Uhr nachmittags und der Gong hatte soeben erst zur Kuchenschlacht gerufen, die
das Emir Palace in dieser Saison neu eingeführt hatte. Der Meridian Club mit
ausschließlich deutschen Gästen bot schon seit Jahren zu dieser Stunde ein aufwendiges
Kuchenbuffet an, und Olli Reinecke konnte sich gar nicht genug darüber
ereifern, dass der englische Chef vom Emir Palace ihm nun auch diese Idee
geklaut hatte. Why
not tea time? Why can’t he invent tea time, this Brit? Why stealing my German
Kuchenschlacht?
»Sieh
nur, Herbert, die schöne Rutsche! Abgebaut innerhalb eines einzigen Tages,
alles weg! Wenn man ein Extra-Handtuch haben will, wartet man drei Tage, aber
eine Rutsche
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