Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall
Seda. Wir haben sie neulich am Strand getroffen.«
»Ach,
natürlich, die kleine Jogging-Maus? Und, was hat sie? Muskelkater? Da empfehle
ich: Einreiben mit Alkohol.«
Kadir
stieß mit einer wütenden Geste ein goldenes Schreibset zu Boden und stützte
beide Hände auf den Schreibtisch. Er hatte jetzt nichts mehr zu verlieren und
konnte die Maske endgültig fallen lassen. Sein Gesicht kam dem Nevins immer
näher und unwillkürlich wich sie zurück. Auf seiner Stirn pochte eine Ader, die
Nevin fasziniert beobachtete.
»Die
kleine Jogging-Maus, Nevin«, flüsterte Kadir, »ist hier, hier bei dir, und ich
rate dir dringend mir zu sagen wo sie ist.«
»Ohhh!«,
machte Nevin in zynischem Ton. »Nun duzen wir uns also doch endlich! Wie lange
habe ich darauf gewartet!«,
»Wo
ist sie?«
»Oh,
der kleine Kadir spürt einfach, dass die kleine Seda hier ist, nicht? Da
hat er eine Eingebung, sein kleines Herz spricht!« Nevin lachte und griff in
die Schublade.
»Was
immer dieser Auftritt hier soll, Kadir, denk nicht, dass ich es jemals
vergesse! Kommst hier reingestürmt und verdächtigst mich, irgendwelche Frauen
versteckt zu haben! Aus heiterem Himmel! Du musst den Verstand verloren haben,
anders kann ich es mir nicht erklären. Aber hier bitte, das sind meine
Schlüssel für die Wohnung oben. Ich weiß nicht, ob noch abgeschlossen ist – ich
war seit heute Morgen nicht mehr oben und solange Patienten im Haus sind, ist dort
abgeschlossen.«
Sie
warf Kadir die Schlüssel hin, der sie an Schmalfuß weitergab. Hastig erklärte
er auf Deutsch, was Schmalfuß zu tun hatte, dann wandte er sich wieder Nevin zu,
die ihn ausdruckslos anstarrte.
»Die
Rechnung, Nevin, die Rechnung. Die war dein Fehler.«
»Puhh,
was kommt jetzt schon wieder? Langsam wird es mir zu bunt, ich sollte die
Herren mit der Zwangsjacke herbestellen!«
»Heute
kam deine Rechnung über das vergangene Quartal im Meridian Palace.«
»Was
für eine Rechnung? Du meinst für ärztliche Dienstleistungen? Das ist Unsinn,
ich rechne mit den Krankenkassen oder den Patienten direkt ab, auch bei den
Gästen im Club. Außerdem mache ich das nicht direkt sondern ein Auftragsdienst.
Meine Sprechstundenhilfe wickelt das mit denen ab, ich habe noch nie persönlich
eine Rechnung von mir zu Gesicht bekommen. Und, wie gesagt, ich wüsste nicht
warum der Auftragsdienst eine Rechnung an den Meridian Club schicken sollte.«
»Alles
richtig, Nevin, die Patientenversorgung kann dem Club nicht belastet werden, aber
die Anfahrtswege zum Club, die hat dein Auftragsdienst dem Hotel direkt in
Rechnung gestellt!«
»Das
habe ich nie und nimmer in Auftrag gegeben!« Nevin schluckte und nahm noch
einen Schluck Tee.
»Das
mag ja sein, dann war es eben deine eifrige Sprechstundenhilfe, die es so von
deinem Vorgänger kannte. Gutes Personal ist Gold wert, namentlich am Empfang,
nicht wahr?«
»Nun,
und wenn schon? Was hat das alles mit der Jogging-Maus zu tun?«
»Da
die Rechnung von dem Auftragsdienst kam, hat sie deinen Namen vermutlich erst
auf den zweiten Blick bei den Rechnungsposten gesehen. Und dann war sie so klug
und hat die Datumsangaben für die verschiedenen Anfahrten mit den
Tagesprotokollen zu vergleichen. Auf der Rechnung stand nicht, welche Patienten
du an dem jeweiligen Tag behandelt hast, diese Namen finden sich aber wiederum auf
den Tagesprotokollen. Du warst ganze viermal bei Eveline Volkmann, die böse an den
Folgen eines Sonnenstichs litt.«
»Toll.
Das wird ja immer besser. Jetzt habe ich nicht nur eine Empfangsdame in meiner
Schublade versteckt, jetzt fängst du auch noch an, mir einen Mord in die Schuhe
schieben zu wollen! Mein Vater wird dich auseinandernehmen! Was spielt es für
eine Rolle, dass ich die Frau des Ermordeten kannte? Ich hätte es dir
sicherlich noch erzählt, aber du hast ja nie Zeit für mich gehabt! Wann hätte
ich es dir sagen sollen? Und, wie gesagt, es spielt keine Rolle, du
konstruierst Zusammenhänge, schlimmer noch als komiser Dalga! Was tust
du mir an, Kadir? Was tust du uns an, nach allem was zwischen uns war -
ist? Ich fürchte, ich muss die Polizei rufen und dich wegen Hausfriedensbruchs
anzeigen!«
»Du
hast ihn dort kennengelernt, nicht wahr? Bei ihr auf dem Zimmer?«
»Nein!«
»Genauso
wie du Gregor Matuschke im Emir Palace kennen gelernt hast, als du seine
Tochter wegen Magenkrämpfen behandelt hast. Er ist es, der sich um seine Kinder
kümmert, nicht die Mutter. Sicher stand er wie ein Häuflein Elend am Bett
seiner
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