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Halskette und Kalebasse

Halskette und Kalebasse

Titel: Halskette und Kalebasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert van Gulik
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deshalb zauderte, weil er hoffte, Farn würde den Morgentee bringen. Ärgerlich über sich selbst, beschloß er, das Frühstück im Gasthof >Zu den Neun Wolken< auf der gegenüberliegenden Straßenseite einzunehmen. Es war besser, ein paar allgemeine Informationen über die Stadt zu sammeln und herauszufinden, wie er es bewerkstelligen konnte, sich die Mauern des Wasserpalastes einmal aus der Nähe anzusehen.
    Unten in der Halle stand der junge Gehilfe gähnend am Empfangstisch. Richter Di murmelte eine flüchtige Antwort auf sein >Guten Morgen< und überquerte die Straße.
    Anders als der >Eisvogel< hatte der Gasthof >Zu den Neun Wolken< ein eigenes Restaurant, das hinter der Haupthalle lag. Zu dieser frühen Stunde saßen nur ein halbes Dutzend Kunden verstreut an den kleinen Tischen und schlangen ihre erste Portion Reis zum Frühstück hinunter. Ein kleiner, dicklicher Mann stand an der Theke und zankte einen griesgrämigen Kellner aus. Er hielt inne, um dem Richter einen scharfen Blick aus seinen kleinen, glänzenden Augen zuzuwerfen, und kam dann angewatschelt, um ihn zu begrüßen.
    »Welche Ehre, einen berühmten Doktor aus der Hauptstadt hier zu empfangen! Bitte, nehmen Sie diesen Ecktisch, mein Herr. Er ist ruhig und behaglich. Sie werden sehen, daß unser Essen besser ist als alles, was der >Eisvogel< zu bieten hat. Darf ich Ihnen gebratenen Reis mit Schweinefleisch und Zwiebeln und knusprig gebackene Forelle, frisch aus dem Fluß, empfehlen?« Richter Di hätte gern ein einfacheres Frühstück gehabt, aber vielleicht lohnte es sich, den geschwätzigen Wirt in ein kleines Gespräch zu verwickeln. Er nickte, und der fette Mann rief dem Kellner die Bestellung zu.
    »Ich fand die Zimmer im >Eisvogel< recht bequem«, sagte der Richter, »aber ich möchte die Bedienung dort nicht in Anspruch nehmen, denn der schreckliche Mord an dem Kassierer hat den Betrieb völlig durcheinander gebracht.«
    »Ja, mein Herr, Tai Min verstand seine Arbeit, und er war ein ruhiger, angenehmer Bursche. Aber geleitet hat die Herberge eigentlich Frau Wei. Feine, tüchtige Frau. Nur, wie ihr geiziger Mann sie behandelt hat! Er paßte nämlich wie ein Schießhund auf jedes Kupferstück auf, das sie ausgab! Wenn sie hier hereinsah, schenkte ich ihr immer ein paar Mehlklöße, gefüllt mit süßen Bohnen - unsere Spezialität, müssen Sie wissen. Die hatte sie mächtig gern. Just an dem Abend, als sie fortging, gab ich ihr noch drei oder vier. Ich halte es nicht mit verheirateten Frauen, die Dinge tun, die sie nicht tun sollten, ganz bestimmt nicht. Aber Wei trieb sie dazu, soviel ist sicher!« Er gab dem Kellner ein Zeichen und fuhr fort: »Und sie dachte immer zuerst ans Geschäft. Wollte nicht fortgehen, bevor sie ihrer Nichte nicht alle Kniffe beigebracht hatte. Sieht gut aus, das Mädel, aber ein bißchen hochmütig, wenn Sie mich fragen. Frau Wei war eine gewissenhafte Hausfrau. Wünschte, ich könnte von meiner Alten dasselbe sagen...«
    Der Kellner brachte ein mit Mehlklößen beladenes Tablett. »Hier, Doktor!« sagte der Wirt und strahlte ihn an. »Nehmen Sie soviel Sie wollen, auf Kosten des Hauses!« Richter Di probierte von den Klößen, fand sie jedoch viel zu süß für seinen Geschmack. »Köstlich!« rief er aus.
    »Die sind alle für Sie, mein Herr!« Der fette Mann beugte sich über den Tisch und fuhr vertraulich fort: »Also, ich habe da etwas, das Sie interessieren wird. Gewissermaßen ein fachliches Problem für Sie, Doktor. Jedesmal nach dem Essen, so ungefähr eine halbe Stunde später, macht sich hier in meiner linken Seite ein dumpfer Schmerz bemerkbar. Und dann verspüre ich ein Brennen, genau hier über meinem Nabel und ein saures Gefühl tief in...«
    »Ich berechne ein Silberstück für eine Konsultation«, sagte der Richter liebenswürdig. »Im voraus zu zahlen.«
    »Ein ganzes Silberstück! Aber Sie brauchen mich doch gar nicht zu untersuchen. Wollte bloß einmal Ihre Meinung hören. Ich leide auch unter Verstopfung. Ich...«
    »Gehen Sie zu Ihrem Arzt«, sagte der Richter kurz angebunden und nahm seine Eßstäbchen auf. Der fette Mann warf ihm einen beleidigten Blick zu und watschelte zur Theke zurück, wobei er das Tablett samt Mehlklößen mit sich nahm.
    Der Richter aß mit Appetit. Er mußte zugeben, daß die gebackene Forelle in der Tat sehr gut war. Als er die >Neun Wolken< verließ, sah er Farn auf der anderen Straßenseite unter dem Säulenvorbau stehen. Sie trug eine braune Jacke und weite Hosen

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