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Halskette und Kalebasse

Halskette und Kalebasse

Titel: Halskette und Kalebasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert van Gulik
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Lang die Halskette irgendwo in seinem Arbeitszimmer versteckt hatte, arrangierten die Verschwörer aus dem Palast das Treffen im Lagerhaus, um ihn hier in der Herberge überraschen zu können. »Was sagten Sie, Sju?«
    »Ich fragte, ob die Gauner Ihrer Meinung nach gefunden haben, was sie suchten, Herr.«
    »Das haben sie nicht. Es war nicht da.«
    Dessen war sich Richter Di ziemlich sicher. Nicht, weil er Lang einer solchen Doppelzüngigkeit nicht für fähig hielt, sondern weil der Kassierer in dem Fall seine Folterknechte sicher gebeten hätte, ihn zu ihrem Herrn zu bringen - in der Hoffnung, wenn schon nicht sein Leben zu retten, so doch wenigstens ein bißchen Zeit zu gewinnen.
    Schweigend sah der Richter zu, wie die beiden Gardisten die Leiche abnahmen. Sie legten sie auf eine Bahre, bedeckten sie mit einem Leinentuch und trugen sie fort. Er hatte diesen irrsinnigen, höchst frustrierenden Fall gründlich satt.
    »Ach ja, Richter, fast hätte ich es vergessen! Als ich gerade meine Männer versammelte, um zu Längs Lagerhaus aufzubrechen, kamen meine Agenten vom Dorf der zehn hügeligen Meilen, jenseits der Berge, zurück. Frau Wei war nicht dort. Und sie haben sich vergewissert, daß sie auch nie dort gewesen ist.«
    Richter Di sagte nichts. Diese Theorie war also auch falsch. Er hatte sein möglichstes getan, aber alle Versuche endeten in einer Sackgasse. Lustlos fragte er:
    »Was sagten die Herren aus dem Palast zu meiner Flucht aus Ihrem Gefängnis?«
    »Viel konnten sie nicht sagen, denn ich brachte sie zu der Zelle hinunter, in der Sie eigentlich sein sollten, und Liu hatte da wirklich eine ausgezeichnete Arbeit geleistet. Doch ihr bösartiger Blick hat mir gar nicht gefallen. Längs Ermordung gibt mir einen triftigen Grund, sechs Männer hier in der Halle zu postieren. Mit dem strikten Befehl, keinen Unbefugten hereinzulassen.«
    Richter Di erhob sich. »Ausgezeichnet«, sagte er, »einen ordentlichen Nachtschlaf könnte ich gut gebrauchen.« Gemeinsam gingen die beiden Männer zur Halle zurück.
    Dem Richter war bisher nicht aufgefallen, daß im >Eisvogel< so viele Gäste wohnten. Die Halle wimmelte von aufgeregten Menschen. Ein Gardist stand am Haupteingang, der andere befragte ein paar verschreckte Bedienstete in der Ecke. Sobald die Gäste Hauptmann Sju erblickten, bestürmten sie ihn mit Fragen. Der Hauptmann winkte den Herbergswirt heran, der mit Farn und dem Gehilfen am Empfangstisch stand. Er sagte zu Wei:
    »Eindringlinge haben Herrn Lang Liu ermordet und seine Suite durchwühlt.«
    »Heiliger Himmel! Haben sie mein Mobiliar beschädigt?«
    »Sehen Sie selbst nach!« meinte der Hauptmann zu ihm. Als der Wirt, gefolgt von seinem Gehilfen, in den Flur stürzte, wandte sich Sju an die Gäste: »Es wäre besser, Sie gingen in Ihre Zimmer zurück, meine Herren! Es besteht kein Grund zur Beunruhigung, sechs meiner Männer werden die ganze Nacht hier Wache halten.«
    Während sie am Empfangstisch vorbeigingen, sagte Richter Di zu ihm:
    »Ich werde mir das Register einmal genauer ansehen. Das hätte ich gleich tun sollen. Ich scheine nicht viel von den Dingen getan zu haben, die ich hätte tun sollen! Tja, ich komme dann morgen früh zu Ihnen.«
    »Sie scheinen mit dem neuen Hauptmann auf freundschaftlichem Fuße zu stehen!« bemerkte Farn. »Er wollte meine Meinung über die Todeszeit wissen. Könnten Sie mir bitte das Gästeregister geben?«
    Sie zog die oberste Schublade heraus und reichte ihm das unhandliche Fremdenbuch. Die Ellbogen auf den Empfangstisch gestützt, beobachtete sie, wie der Richter es durchblätterte. Die Namen sagten ihm nicht viel. Außer Lang und seinen Männern schienen alle ehrliche Kaufleute zu sein, und alle waren einen oder mehrere Tage vor Richter Di eingetroffen. Er würde es dem Hauptmann überlassen, ihr Vorleben zu untersuchen.
    »Ich habe Sie den ganzen Nachmittag nicht gesehen«, fuhr sie fort und betrachtete neugierig sein abgespanntes Gesicht. »Sie sehen ein wenig blaß aus, wissen Sie.«
    »Ich bin ziemlich müde; ich werde früh zu Bett gehen. Gute Nacht!« Oben in seinem Zimmer öffnete er weit das Fenster, dann setzte er sich an den Tisch und zog den Teekorb zu sich heran. Langsam schlürfte er den Tee und bemühte sich verzweifelt, seine Gedanken zu sammeln. Er mußte die Situation ganz leidenschaftslos und sachlich betrachten, den tiefen Schock über den gräßlichen Mord an Lang Liu überwinden; alles, was sich ereignet hatte, als ein rein intellektuelles

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