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Halskette und Kalebasse

Halskette und Kalebasse

Titel: Halskette und Kalebasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert van Gulik
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mehrere Stunden warten.«
    »Ich schlafe in meinem Boot so bequem wie in meinem Bett. Es gibt dort hohe Kiefernbäume überall an der Bucht, und ich werde das Boot unter den Zweigen festmachen. Ich habe ein Segeltuch dabei für den Fall, daß wir Regen bekommen, aber ich glaube nicht, daß es mehr als ein paar Schauer geben wird.«
    Er ließ sich im Heck nieder. »Sie sind wirklich eine große Hilfe, Farn!« sagte er dankbar, während sie das Boot hinausstakte.
    »Ich habe Sie gern. Und außerdem vertraue ich Ihnen. Denn nur der Himmel weiß, was es zu bedeuten hat, daß Sie sich zu dieser nächtlichen Stunde hier herumtreiben! Jedenfalls werden wir die Laterne im Bug nicht anzünden.«
    Als sie im offenen Wasser waren, verdunkelte eine Wolke den Mond, und es war pechschwarz. Er sah ein, daß er ohne sie völlig verloren gewesen wäre. Sie bewegte den Skullriemen mit großer Geschwindigkeit, aber so geschickt, daß das Boot fast geräuschlos dahineilte. Ein plötzlicher kalter Windstoß fegte über das Wasser, und er zog sich sein Gewand enger um die nackte Brust.
    »Da sind wir!«
    Sie steuerte das Boot in eine schmale Einfahrt, die überhängenden Zweige streiften seine Schultern. Weiter vorn tauchte eine dunkle Masse hoher Bäume auf. Sie nahm die Stange, und bald fühlte er, wie der Rumpf gegen Felsen scheuerte.
    »Ich werde hier an dieser Felsbank anlegen«, verkündete sie. »Sie können jetzt Ihre Laterne anzünden; vom Fluß aus kann uns niemand sehen.«
    Richter Di holte seine Zunderbüchse aus dem Ärmel und steckte die Sturmlaterne an, die er sich von der Nachtwache geliehen hatte. Nun sah er, daß Farn eine schwarze Jacke und eine schwarze Hose trug und einen schwarzen Schal um ihr Haar geschlungen hatte. Mit einem schelmischen Funkeln in ihren großen Augen bemerkte sie:
    »Sie sehen, ich weiß, wie man sich für eine nächtliche Eskapade zu kleiden hat! Nun, in dieser geschützten Bucht sind wir völlig ungestört. Nur Sie und ich und Vater Mond. Haben Sie keine Lust, mir in mein kleines Ohr zu flüstern, was das eigentlich alles bedeuten soll?«
    »Ich suche nach etwas an dem alten Fußweg, der durch den Wald führt. Es wird mindestens zwei bis drei Stunden dauern. Wenn ich um drei nicht wieder da bin, fahren Sie allein in die Stadt zurück. Ich warne Sie, es wird eine lange Wartezeit.«
    »Als nächstes werden Sie mir noch erzählen, daß Sie nach Heilkräutern Ausschau halten!« sagte sie schnippisch. »Um mich brauchen Sie sich jedenfalls keine Sorgen zu machen, passen Sie lieber auf die Schlangen auf. Beleuchten Sie den Weg gut, damit Sie nicht auf eine drauftreten. Das mögen sie nämlich nicht.«
    Richter Di stopfte die Enden seines langen Gewandes unter den Gürtel und watete ans Ufer. Er nahm die Laterne in die linke Hand, während er mit seinem Schwert im dichten Unterholz herumstocherte, um eine Lücke zu finden.
    »Der perfekte Straßenräuber!« rief Farn hinter ihm her. »Viel Glück!«
    Gequält lächelnd kämpfte der Richter mit langen, dünnen Zweigen und dornigen Büschen, wobei er sich in nordöstlicher Richtung hielt. Schneller als erwartet gelangte er auf einen schmalen Pfad, der nach rechts ins Dickicht verschwand, aber nach links war er ziemlich frei. Der Richter wählte einen dicken, toten Ast aus und legte ihn quer über den Weg, um die Stelle nicht zu verfehlen, wenn er zurückkam. Falls er zurückkäme, besser gesagt.
    Er folgte dem gewundenen Pfad eine Weile und stellte dann fest, daß die Nacht gar nicht mehr so still war. In dem dichten Unterholz zu beiden Seiten vernahm er ein unaufhörliches Rascheln, abwechselnd quiekte und knurrte es, und in den dunklen Zweigen über seinem Kopf stießen Nachtvögel ihre Schreie aus. Hin und wieder ertönte das melancholische Hu-Hu einer Eule. Kleine Tiere flüchteten eilig aus dem Lichtschein, den die Laterne vor seine Stiefel warf, aber er sah keine Schlangen. »Die hat sie wahrscheinlich nur erwähnt, um mich zu foppen!« murmelte er mit einem Lächeln. Sie war ein mutiges Mädchen. Plötzlich blieb er stehen und trat schnell zurück. Eine etwa fünf Fuß lange gesprenkelte Schlange glitt über den Pfad. Mutig und vertrauenswürdig dazu, überlegte er grimmig.
    Während er durch den unheimlichen Wald ging, verlor er bald sein Zeitgefühl. Nachdem vielleicht eine halbe Stunde verstrichen war, erweiterte sich der Pfad ein wenig, und in einiger Entfernung zwischen den Bäumen wurde ein Lichtschimmer erkennbar. Dann sah er das Wasser und

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