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Halskette und Kalebasse

Halskette und Kalebasse

Titel: Halskette und Kalebasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert van Gulik
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Schlaf.

Dreizehntes Kapitel
     
     
    Ein irritierendes, anhaltendes Jucken in seinem Nacken weckte Richter Di. Erschrocken bemerkte er, daß das vergitterte Fenster dunkel war. Er schwang die Füße auf den Boden und rannte zum Fenster. Zu seiner Erleichterung hörte er die Köche Fleisch mit dem Hackmesser zerteilen und fröhliche Lieder singen. Da keine Bestellungen gerufen wurden, mußte es bis zum Reisessen am Abend noch eine Weile hin sein. Als er sich den Nacken rieb, stellte er fest, daß viele kleine Ameisen unter seinem Kragen umherkrabbelten. Und auf seinem Bart und vorn auf seinem Gewand waren noch mehr. Ärgerlich streifte er die Insekten ab, so gut er konnte.
    Die Fenster von Längs Suite waren jetzt erleuchtet, und eine Seite der Flügeltüren stand halb offen, aber er konnte keine Stimmen aus dem Inneren hören. Zwei Gemüseverkäufer betraten den Garten und steuerten direkt auf die Küche zu. Richter Di wartete, bis sie mit ihren leeren Körben wieder fort waren, dann schlüpfte er hinaus und ging zu dem Tor in der Gartenmauer. Zu seiner Überraschung war der Esel noch da. Er stand dicht an der Mauer und wühlte in den Küchenabfällen. Rasch lief der Richter zum Lagerhaus zurück und ergriff die Krücken. Seine Tarnung verlieh ihm ein Gefühl der Sicherheit, während er zum Kai ritt.
    Eine bunte Menge war unter den rauchenden Öllampen der Essensstände vor dem Fischmarkt auf den Beinen, und schrilles Stimmengewirr erfüllte die Luft. Richter Di mußte anhalten, als eine Karrenladung Melonen vor seinem Esel umstürzte. Umstehende kamen herbeigeeilt, um dem Verkäufer beim Einsammeln seiner Ware zu helfen. Ein ärmlich gekleideter Mann faßte die Zügel seines Esels. »Ich werde Sie da durchbringen, Meister Kalebasse!« rief er vergnügt. Während der Kuli Leute zur Seite schob, hörte der Richter plötzlich, wie ihm jemand von hinten zuflüsterte:
    »Sie sind hinter ihm her, aber er ist verschwunden.«
    Rasch wandte der Richter sich im Sattel herum. In dem undeutlichen Licht sah er nur die lachenden Gesichter einiger junger Burschen, die seinen Esel von hinten antrieben. Im nächsten Augenblick hatte er den Tumult hinter sich gelassen.
    Verwirrt die Stirne runzelnd, ritt Richter Di weiter. Der Kampf im Lagerhaus hatte zweifellos bewiesen, daß der alte Mann auf seiner Seite stand. Doch die Bemerkung, die ihm jemand zugeflüstert hatte, der ihn für Meister Kalebasse gehalten haben mußte, schien zu bedeuten, daß der Taoist über seine Schritte auf dem laufenden gehalten wurde. Wie könnte der alte Mönch mit diesem verwirrenden Fall verbunden sein? Wieder versuchte der Richter sich zu erinnern, wo er dem Meister vielleicht schon einmal begegnet war. Vergeblich.
    Ein leichter Abendnebel kam vom Fluß herübergetrieben. Nun, da er sich dem fernen Ende des Kais näherte, wo es keine Läden oder Straßenstände mehr gab, sah alles düster und trostlos aus. Die einzigen Lichtpunkte kamen von den Bogenlampen der vertäuten Schiffe, die in dem schwarzen Wasser auf und ab tanzten.
    Als der Richter das erste Lagerhaus in der Reihe passiert hatte, stieg er ab und lehnte die Krücken an die Wand. Dann ging er auf die hohen Bäume zu, die die gegenüberliegende Seite der Lichtung markierten, das Schwert auf dem Rücken. Als er gerade unter ein paar dunklen Zweigen hindurchschritt, sprach eine heisere Stimme direkt über seinem Kopf:
    »Sie sind spät. Aber Hao ist noch nicht da.«
    Er blickte nach oben und sah undeutlich die riesige, auf einem dicken Ast hockende Gestalt eines der Leibwächter von Lang. Ja, Herr Lang verstand seine Routinearbeit tatsächlich. Der Richter überquerte die Lichtung und klopfte an die Tür. Der Mann mit dem runden Schädel öffnete sofort. »Bin froh, daß Sie da sind!« murmelte er. »An diesem Ort krieg' ich das Gruseln!«
    »Angst vor Tai Mins Geist?« fragte der Richter kalt. Er schob die Bank an die Wand und setzte sich.
    »Ich doch nicht!« Der Buchhalter nahm neben Richter Di Platz. »Quiekte wie ein Schwein, wissen Sie. Schade, daß die blöden Kerle ihn sterben ließen, bevor sie überhaupt richtig angefangen hatten.« Seine dicken Lippen verzogen sich zu einem grausamen Lächeln. »Sie hatten ihn genau auf dieser Bank festgebunden. Zuerst...«
    »Ihre kleinen Spielchen interessieren mich nicht.« Der Richter legte sein Schwert über die Knie und lehnte sich gegen die Wand. »Aber Sie können mir erzählen, was Sie aus ihm herausbekommen haben.«
    »So gut wie nichts. Als

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