Halskette und Kalebasse
Decke des Verlieses und der Boden tief unten.
»Wie... warum sind Sie hierher gekommen?« fragte die Dame Hortensie mit schwacher, stockender Stimme.
»Ich wollte zur Prinzessin. Denn ich brauche mehr Informationen, um mich der Aufgabe zu entledigen, die sie mir übertragen hat. Wie sind Sie in dieses schreckliche Verlies geraten?«
»Furchtbare Dinge sind geschehen, Di. Ich habe seit der vergangenen Nacht nichts zu essen und nichts zu trinken gehabt. Bitte, geben Sie mir etwas Wasser!«
Der Richter wickelte die schwarze Schärpe von seinem Kopf, faltete sie und schöpfte sie mit Wasser voll. Dann reichte er den tropfenden, improvisierten Beutel durch das Gitter und warnte: »Tauchen Sie Ihr Gesicht hinein, aber trinken Sie nicht mehr als ein paar Schluck.« Nach einer Weile fuhr sie fort:
»Ich leide tatsächlich an einer milden Form von Asthma. Als Sie gegangen waren, dachte ich daher, ich könnte ebensogut die Medizin nehmen, die Sie verschrieben hatten. Doch eine Hofdame mischte heimlich eine schändliche Droge mit hinein. Kurz nachdem ich sie genommen hatte, begann mir schwindelig zu werden, und ich fiel unter heftigen Zuckungen auf den Boden. In höchster Sorge rief die Prinzessin die Palastärzte, die mich für todkrank erklärten. Dann wurde ich ohnmächtig. Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf dem feuchten Boden in einer Ecke dieses Verlieses. Niemand hat nach mir gesehen.« Sie hielt inne, dann fuhr sie mit müder Stimme fort:
»Ich weiß genau, was sie tun werden. Sie werden morgen kommen, wenn ich vor Hunger und Durst geschwächt bin. Dann werden sie mir vergiftete Speisen und Getränke geben, meinen Leichnam zur Prinzessin bringen und sagen, daß die Ärzte getan hätten, was sie konnten, ich ihnen jedoch unter den Händen gestorben sei. Die kaiserliche Eskorte soll um die Mittagszeit hier eintreffen, um die Prinzessin in die Hauptstadt zu geleiten. Für eine sorgfältige Untersuchung meines Todes wird also keine Zeit bleiben. Könnte ich noch etwas zu trinken haben?« Sie reichte ihm das nasse Tuch durch das Gitter.
»Wer sind diese ruchlosen Verschwörer?« fragte er, indem er ihr das Wasser gab. »Das ist eine der Fragen, die ich der Prinzessin stellen wollte.«
»Es ist besser, wenn Sie sie nicht sehen, Di. In ihrem gegenwärtigen Gemütszustand wird sie Ihnen zweifellos mißtrauen und annehmen, daß Sie absichtlich die falsche Medizin verschrieben haben. Wer unsere Feinde sind, fragen Sie? Wie könnten die Prinzessin oder ich das wissen? Jeden Tag sind wir von zahllosen Personen umgeben, vom Morgen bis in die Nacht. Alle sind sie peinlich darauf bedacht, höflich zu sein, zu gefallen, zu lächeln. Wie soll man wissen, wer ein bezahlter Spion ist oder heimlich an einer abscheulichen Intrige mitwirkt? Allerdings glaube ich jetzt, da sie es gewagt haben, sich mit ihren schmutzigen Händen an mir, der engsten Freundin Ihrer Hoheit, zu vergreifen, daß der Obereunuch und der Oberaufseher, die beiden höchsten Palastbeamten, zumindest eine Ahnung davon haben müssen, was hier vor sich geht. Aber wer weiß, ob sie nicht völlig falsch unterrichtet werden? Wer weiß, wie viele Personen bestochen wurden, um die gräßlichsten Lügen zu erzählen, wie viele loyale Diener aufgrund falscher Beschuldigungen in die Verliese geworfen wurden? Es gibt nur einen Menschen in diesem Palast, der absolut unantastbar ist, Di. Und das ist die Dritte Prinzessin.«
Richter Di nickte.
»Sowohl der Obereunuch als auch der Oberaufseher benahmen sich auffallend feindselig mir gegenüber, als ich in den Palast kam, um Sie aufzusuchen. Und der Oberaufseher gibt sich jede nur erdenkliche Mühe, mich verhaften zu lassen. Wer hat der Prinzessin gesagt, daß ich in der Stadt bin und welchen Decknamen ich benutze?«
»Meister Kalebasse. Vor fünf Jahren, bevor die Prinzessin den Wasserpalast als Sommerresidenz erhielt, kam der Meister regelmäßig in den Kaiserlichen Palast. Seine Majestät hatte ihn beauftragt, die Kronprinzessin in Philosophie zu unterrichten. Die Dritte Prinzessin nahm oft am Unterricht teil, und sie hegte eine große Bewunderung für den Meister. Nachdem Meister Kalebasse sich von der Welt zurückgezogen und hier in der Stadt am Fluß niedergelassen hatte, ließ die Prinzessin ihn oft zu sich kommen, denn sie fand Vergnügen daran, sich mit ihm zu unterhalten und vertraute ihm völlig. Da Meister Kalebasse im Kaiserlichen Palast so beliebt ist, und angesichts seines fortgeschrittenen Alters, wagte der
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