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Halskette und Kalebasse

Halskette und Kalebasse

Titel: Halskette und Kalebasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert van Gulik
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Kaiser praktisch seinen Willen aufzwingen, wenn er seine Karten richtig spielte! Plötzlich schüttelte er entschlossen den Kopf. Heftig sagte er:
    »Nein, ich weigere mich, das zu glauben! Ich könnte noch glauben, daß ein solch schreckliches Komplott irgendwelchen entarteten Höflingen in den Sinn kommen mag - vor allem den Eunuchen, diesen Bastardkreaturen mit ihren entstellten Persönlichkeiten, zwangsläufige und gefährliche Quelle allen Übels in jedem Palast! Ich kann auch glauben, daß die Prinzessin von dunklen, beunruhigenden Gedanken heimgesucht wird und daß sie sich über ihre eigenen Gefühle im Zweifel ist. Aber was den Kaiser betrifft, so erinnere ich mich, daß mein verstorbener Vater, als er Mitglied des Staatsrates war und das Vertrauen seiner Majestät genoß, unseren Herrscher immer als einen großen und guten Mann beschrieb, der trotz seiner einzigartigen Stellung immer den edlen Charakter und die sichere Urteilskraft bewahrte, wie sie den Sohn des Himmels auszeichnen.« Dann fuhr er mit ruhigerer Stimme fort: »Jedenfalls bin ich froh, daß Sie mir das erzählt haben, weil ich nun genau weiß, hinter was die Verschwörer her sind und warum sie nicht einmal vor den grauenhaftesten Morden zurückschrecken werden. Aber welche Intrigen auch im Gange sein mögen, der Feind wird machtlos sein, wenn erst bewiesen ist, daß der Oberst die Halskette nicht gestohlen hat. Denn ich bin davon überzeugt, daß die Prinzessin, sobald ihr Vertrauen in den Oberst wiederhergestellt ist, den Kaiser ersuchen wird, ihre Verlobung zu verkünden.«
    Er wickelte sich aus dem Gewand und schob es durch das Eisengitter zurück. »Geben Sie die Hoffnung nicht auf, Verehrteste! Ich werde mein Äußerstes tun, noch heute nacht die Halskette zu finden. Sollten Ihre Schergen Sie morgen früh abholen, versuchen Sie hinauszuzögern, was immer sie Ihnen antun wollen. Sagen Sie, daß Sie wichtige Informationen für sie haben oder was Sie sonst für das Beste halten. Ob ich Erfolg habe oder nicht, ich werde morgen früh im Palast sein, und ich werde alles tun, um Sie zu retten.«
    »Um mich mache ich mir keine Sorgen, Di«, sagte die alte Dame sanft. »Möge der gütige Himmel Sie beschützen!«
    Der Richter erhob sich und trat den Rückweg an.

Siebzehntes Kapitel
     
     
    Sobald sich Richter Di an der Biegung des Grabens wieder im Schütze der Bäume befand, zog er die triefenden Stiefel aus und entledigte sich der nassen Hose. Mit der trockenen Hälfte der schwarzen Schärpe, die er um das Schwert gewickelt hatte, rieb er kräftig seinen nackten Körper ab. Nachdem er sich den Stoffstreifen wie ein Lendentuch um die Taille geschlungen hatte, zog er das lange schwarze Gewand an und setzte sich das Käppchen auf den Kopf. Unschlüssig, was er mit der nassen Hose anfangen sollte, stopfte er sie schließlich in ein Kaninchenloch. Dann nahm er die Laterne und das Schwert auf.
    Körperliches Wohlbehagen durchströmte ihn und verlieh ihm ein Gefühl der Leichtigkeit. Aber plötzlich bemerkte er, daß sein Kopf leer war. Die Reaktion auf die spannungsgeladene Stunde, die er soeben verbracht hatte, hatte eingesetzt. Während er dem Weg durch den Wald folgte, fühlte er sich völlig unfähig, auch nur annähernd all das zu verdauen, was er erfahren hatte. Er erinnerte sich an Meister Kaiebasses Worte über die Bedeutung des Leerseins und gab den Versuch auf, sich zu konzentrieren. Statt dessen stellte er sich einfach vor, er sei der Kassierer Tai Min und befinde sich mit einer Halskette, die er irgendwo verstecken wolle, auf demselben Weg. Dem Richter fiel auf, daß sein Verstand zwar betäubt, seine Sinne aber ungewöhnlich wachsam waren. Mit durchdringender Schärfe nahm er alle Gerüche des Waldes wahr, seine Ohren waren auf jeden Laut, der aus dem dunklen Blattwerk kam, eingestimmt, und seine Augen entdeckten jeden Hohlraum in den Baumstämmen, jede Vertiefung in den bemoosten Felsblöcken, die in den Lichtkreis seiner Laterne gerieten. Er untersuchte diese Stellen, die vielleicht auch die Aufmerksamkeit des Kassierers auf sich gezogen hatten, aber die Halskette war nicht da.
    Nach ungefähr einer Stunde stieß er mit den Schienbeinen gegen den toten Ast, den er quer über den Pfad gelegt hatte. Er war froh, daß er seinen Ausgangspunkt auf diese Weise markiert hatte, denn die Bäume und Büsche sahen überall gleich aus. Er teilte die Zweige und bahnte sich seinen Weg durch das Dickicht zum Ufer der Bucht.
    Während er unter dem

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