Halskette und Kalebasse
Baldachin der Bäume durch den Wald gegangen war, hatte er nicht bemerkt, daß der Mond hervorgekommen war. Nun schien sein sanftes Licht auf das stille Wasser der Bucht. Verwundert starrte der Richter von dem felsigen Rand auf das Boot, das unter den überhängenden Zweigen einer knorrigen Kiefer vertäut lag. Farn war nicht darin. Dann ertönte ein plätscherndes Geräusch hinter ihm, und sie rief aus:
»Sie sind früh zurück! Sie waren kaum zwei Stunden fort!«
Er drehte sich um. Farn stand nackt in dem knietiefen Becken, Wassertropfen glitzerten auf ihrem wunderbaren jungen Körper. Ihre atemberaubende Schönheit ließ ihm das Blut in den Adern wallen, traf seine erregten Sinne an der verwundbarsten Stelle. Sie hockte sich in das Wasser und bedeckte ihre Brüste mit den Armen.
»Sie sehen furchtbar aus! Sie sollten auch einmal untertauchen!«
»Tut mir leid, daß ich Sie warten ließ«, murmelte er und setzte sich auf das Felsenufer mit dem Rücken zu ihr. »Sie sollten sich besser anziehen, es ist weit nach Mitternacht.« Er zog seine Stiefel aus, riß eine Handvoll Gras zwischen den Steinen ab und benetzte es mit Wasser.
»Das Warten hat mir überhaupt nichts ausgemacht«, sagte sie, indem sie näher kam. Aus dem Augenwinkel sah er sie aufrecht an der Felskante stehen und ihre langen Haarflechten auswringen.
»Beeilen Sie sich!« sagte er zu ihr und begann mit unnötigem Nachdruck seine schlammigen Stiefel abzureiben.
Er ließ sich Zeit mit dem Säubern. Als er die Stiefel wieder angezogen hatte und sich erhob, war sie bereits angekleidet und damit beschäftigt, das Boot unter der Kiefer hervorzuziehen. Der Richter stieg ein, und sie stakte das Boot zum Ausgang der Bucht. Als sie den Skullriemen nahm, warf sie einen verlorenen Blick auf den silbernen Kiefernwald und sagte mitleiserStimme:
Richter Di säubert seine Stiefel mit unnötigem Nachdruck
»Es tut mir leid. Ich habe mich wie ein dummes Mädchen benommen. Aber Tatsache ist, daß ich Sie gern habe, und ich hatte gehofft, Sie würden mich in die Hauptstadt mitnehmen.«
Er lehnte sich in den Bug zurück. Das leere Gefühl in seinem Kopf war verschwunden; er war jetzt nur noch müde, sehr müde. Nach einer Weile sagte er:
»Sie mögen mich allein deshalb, weil ich Sie an das glückliche, behütete Leben zu Hause mit Ihrem Vater erinnere, Farn. Da ich Sie auch gern habe, möchte ich, daß Sie mit einem netten jungen Burschen glücklich werden. Aber ich werde immer an Sie denken. Und gewiß nicht nur, weil Sie eine so treue Gehilfin waren.«
Sie schenkte ihm ein warmes Lächeln. »Haben Sie gefunden, wonach Sie suchten?« »Ja und nein. Ich hoffe, daß ich Ihnen morgen mehr erzählen kann.«
Richter Di verschränkte die Arme und überdachte seine Unterhaltung mit der Dame Hortensie. Erst wenn er all die beunruhigenden neuen Einzelheiten verarbeitet hätte, würde er versuchen, Mittel und Wege zu finden, wie er die Halskette aufspüren konnte. Er war sich ziemlich sicher, daß der Kassierer sie irgendwo in der Herberge >Zum Eisvogel< oder in ihrer Nähe versteckt hatte. Andernfalls wäre er nicht dorthin zurückgekehrt und hätte eine Begegnung mit Längs Männern riskiert. Tai Min wußte, daß Lang Liu und seine Männer früher oder später wieder nach Süden aufbrechen würden und daß er dann Gelegenheit hätte, vom Dorf der zehn hügeligen Meilen zurückzukommen und die Halskette zu holen.
Der Kai lag genauso verlassen da wie bei ihrem Aufbruch, doch nun warf das Mondlicht unheimliche Schatten auf die Pflastersteine. »Ich werde vorausgehen«, sagte er zu ihr. »Sollte irgend etwas Unvorhergesehenes passieren, schlüpfen Sie sofort unter einen Säulenvorbau oder in eine Seitenstraße.«
Aber sie erreichten die Gasse hinter dem >Eisvogel<, ohne jemandem zu begegnen. Als sie durch die Küchentür ins Haus schlichen, kam dem Richter plötzlich zum Bewußtsein, daß er '39 einen Bärenhunger hatte. »Haben Sie schon zu Abend gegessen?« fragte er. Da Farn nickte, schnappte er sich einen Holzeimer mit kaltem Reis von der Küchenanrichte und einen Teller mit sauren Pflaumen. »Auf Rechnung!« murmelte er. Farn unterdrückte ein Kichern. Während sie die Halle durchquerten, vernahmen sie das Gerassel von Waffen draußen unter dem Vorbau. Die Gardisten waren im Dienst. Auf Zehenspitzen gingen sie die Treppe hinauf und trennten sich vor seiner Tür.
Richter Di zündete die Kerze an und vertauschte seine Kleidung mit einem sauberen
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