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Halskette und Kalebasse

Halskette und Kalebasse

Titel: Halskette und Kalebasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert van Gulik
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der er angehört, in starkem Maße fördern. Sie können sich vielleicht ihren Ärger und ihre Enttäuschung vorstellen, als die Prinzessin eine deutliche Vorliebe für Oberst Kang, den Befehlshaber der Kaiserlichen Garde, erkennen ließ. Der Oberst ist nämlich ein Mann, der sich immer von allen Intrigen ferngehalten hat und keiner der besonderen Cliquen angehört. Diese verbündeten sich daher miteinander und unternahmen entschlossene Anstrengungen, Oberst Kang um die Gunst der Prinzessin zu bringen.«
    »In dem Fall liegt die Lösung auf der Hand!« unterbrach Richter Di. »Sie braucht dem Kaiser nämlich nur zu sagen, daß sie den Oberst liebt. Dann würde niemand es wagen...«
    »Ganz so einfach ist es nicht, Di! Die Prinzessin ist sich nicht völlig sicher, daß sie den Oberst wirklich liebt oder daß er sie wirklich liebt. Darum ist der Diebstahl der Halskette ja ein so teuflischer Plan, verstehen Sie. Es war dem Oberst gelungen, einen heimlichen Besuch bei ihr zu arrangieren, und sie entdeckte den Verlust der Halskette, nachdem er bei ihr gewesen war. Man gab ihr zu verstehen - natürlich auf eine sehr indirekte und geschickte Art -, daß der Oberst sie entwendet habe, daß irgendwo eine Geliebte auf ihn warte, mit der er plane, an einen fernen Ort zu fliehen. Jedermann weiß, daß er kein Geld hat und schwere Schulden machen muß, um seinen Status aufrechtzuerhalten. Das ist der erste Grund, warum der Feind so entschlossen bemüht ist, sich die Halskette zu verschaffen. Sie muß im Besitz des Oberst gefunden werden.«
    Der Richter nickte bedächtig. Es war ihm gleich ein bißchen weit hergeholt vorgekommen, daß die Prinzessin die Halskette nur deshalb abgelegt haben wollte, weil sie befürchtete, sie könnte in den Fluß fallen. Jetzt erinnerte er sich auch, mit welch unnötigem Nachdruck sie die Tatsache betont hatte, daß sie allem gewesen war.
    »Ich glaube«, sagte er, »daß die Prinzessin den Oberst sehr liebt. Denn sie hat sich ungewöhnliche Mühe gegeben, mir zu versichern, daß die Halskette von jemandem außerhalb des Palastes gestohlen wurde.«
    »Sie können sich die widerstreitenden Gefühle, die sie quälen, nicht vorstellen, Di. Manchmal glaubt sie, daß sie ihn liebt, dann wieder nicht.«
    »Nun, ist das nicht ein sehr häufiger Zustand bei verliebten jungen Frauen?«
    Er hörte sie seufzen.
    »Da Sie der einzige Mensch sind, der die Situation noch retten könnte, Di, werde ich Ihnen nun auch den zweiten Grund verraten, warum die verachtenswerten Verschwörer so sehr darauf erpicht sind, mit Hilfe der Halskette das Verhältnis zwischen der Prinzessin und dem Oberst zu stören. Es ist ein solch schreckliches Geheimnis, daß ich unter normalen Umständen lieber sterben würde, als auch nur die Möglichkeit anzudeuten!« Sie schwieg. Nach einer langen Pause fuhr sie fort: »Ist es Ihnen niemals merkwürdig erschienen, daß Seine Majestät auch nicht den geringsten Versuch unternommen hat, der Dritten Prinzessin bei der Wahl eines geeigneten Ehemannes zu helfen? Es ist eine feststehende Regel, daß, kurz nachdem eine Prinzessin ihren achtzehnten Geburtstag gefeiert hat, ein Verlobter für sie gefunden wird. Und die Dritte Prinzessin ist bereits sechsundzwanzig! Des Kaisers großzügige Äußerung, sie dürfe sich ihren Ehemann selbst aussuchen, könnte auch als Versuch interpretiert werden, ihre Heirat so lange wie möglich hinauszuschieben. Um... um sie bei sich zu behalten.«
    Richter Di runzelte die Stirn. »Warum sollte...«, begann er. Dann begriff er plötzlich. Gütiger Himmel! Kalter Schweiß lief ihm die Brust hinab. Das war furchtbar, unaussprechlich...
    »Ist sie... ist sich die Prinzessin dessen bewußt...?«
    »Sie ahnt es. Und was noch schlimmer ist, der Verdacht entsetzt sie nicht so sehr, wie wir gehofft hatten. Sie können sich ausmalen, welche Folgen es hätte, wenn diese Beziehung... ihren logischen Schluß fände.«
    Der Richter ballte die Fäuste. Nun erkannte er das Grauenhafte des Komplotts der gestohlenen Halskette in seinem ganzen Ausmaß. Eine voll entwickelte Frau von sechsundzwanzig Jahren, aufgezogen in der Treibhausatmosphäre eines abgeschlossenen Harems, ihrer eigenen Gefühle nicht sicher... kehrt, enttäuscht von ihrer Liebe für den Oberst, in die Hauptstadt zurück... Wenn sie in diesem verwirrten Zustand... wenn es eine Tatsache würde... dann wäre es jemandem, der das schuldbeladene Geheimnis kannte, möglich... Du lieber Himmel, so jemand könnte dem

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