Halten Sie sich für schlau?: Die berüchtigten Testfragen der englischen Elite-Universitäten (German Edition)
von »Besitzt die Geschichtswissenschaft die Fähigkeit, den nächsten Krieg zu verhindern?« interpretieren. Natürlich nicht – die Geschichtswissenschaft beinhaltet allein die Beschreibung von Vorgängen in der Vergangenheit. Vermutlich möchte der Fragesteller wissen, ob in der Geschichtswissenschaft gewonnene Erkenntnisse dazu beitragen können, den nächsten Krieg zu verhindern. Das ist zwar denkbar, jedoch impliziert allein die Formulierung der Frage, dass das nicht möglich ist. Der nächste Krieg ist per Definition ein Krieg, der in naher oder ferner Zukunft ausbrechen wird, und es ist unwahrscheinlich, dass Erkenntnisse der Geschichtswissenschaft einmal ausgebrochene Kampfhandlungen beenden können.
Wo hat Ehrlichkeit einen Platz im Rechtswesen?
Jura, Cambridge
Spontan möchte man antworten: Nirgends. Schon lange existiert das Klischee, dass Juristen alle erdenklichen Kniffe anwenden, um die Wahrheit nach Gusto zu verdrehen. Doppelzüngige Rechtsgelehrte sind seit Jahrhunderten Thema von Erzählungen. Der englische Dichter und Dramatiker John Gay klagte schon im 18. Jahrhundert:
Ich weiß, ihr Anwälte verdreht ganz leicht
Worte und Bedeutungen, wie es euch passt.
Sodass die Sprache, eurer Kunst gehorchend
Sich verbeugt und euren Mandanten dient.
Natürlich steckt darin ein Stückchen Wahrheit. Anwälte werden von Mandanten oft damit beauftragt, Mittel und Wege zur Absicherung von privaten oder Firmeninteressen zu finden. Dabei geht es nicht notwendigerweise darum, geradlinig den Weg der Aufrichtigkeit zu gehen. Zynisch betrachtet ist in diesem Sinne Aufgabe des Anwalts, einen Weg durch das Dickicht gesetzlicher Vorschriften zu schlagen, und besteht nicht darin, der Wahrheit Geltung zu verschaffen oder gar für Gerechtigkeit zu sorgen. Ein Anwalt kann zum Beispiel damit betraut werden, eine Gesetzeslücke zu finden, die es dem Klienten erlaubt, unbeschadet mit etwas davonzukommen, was ein ehrlicher Mensch als Form von Räuberei erachten würde.
Gesetze lassen sich als sozialer Rahmen auffassen, der mit Richtlinien und institutionalisierten Kontrollen dafür sorgt, dass die Gesellschaft reibungslos funktioniert und die Menschen sich gut benehmen beziehungsweise so verhalten, dass keine Konflikte entstehen. Betrachtet man das Rechtswesen aus dieser Perspektive, ist das Gesetz ebenso blind wie ein Computerprogramm, die Frage nach Ehrlichkeit wird unerheblich. Allein die Einhaltung von Vorschriften ist wichtig, Juristen fungieren innerhalb dieses Systems lediglich als ausführende Organe.
In der Realität ist Rechtsprechung kein stereotypes System, hier spielt Ehrlichkeit sehr wohl eine Rolle. Nicht zufällig muss ein Zeuge vor Gericht als Allererstes schwören, die Wahrheit zu sagen, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Ohne Ehrlichkeit kann es keine Gerechtigkeit geben.
Natürlich nehmen wir es alle gelegentlich mit der Wahrheit nicht ganz genau. In den meisten Fällen handelt es sich aber um kleine Notlügen, nicht um kapitale Verbrechen. Und genau darin liegt die Krux: Ein Rechtssystem funktioniert nur, wenn die meisten Menschen überwiegend ehrlich sind. Wäre die Mehrheit vornehmlich unehrlich, könnte Ordnung nur noch durch Repression hergestellt werden, das Rechtsstaatsprinzip wäre nicht mehr funktionsfähig. Aber auch wenn die Menschen völlig ehrlich wären, bräuchte man keine Gesetze, sondern höchstens Richtlinien zur Beilegung von Konflikten. Gesetzeskraft ist nur erforderlich, um mit den – Gott sei Dank raren – Fällen umzugehen, in denen Menschen unehrlich sind. Theoretisch schützt das Gesetz die ehrliche Mehrheit vor der unehrlichen Minderheit. Natürlich schränken Gesetze unsere persönliche Freiheit ein, aber wie der Philosoph John Locke es ausdrückte, stimmen wir einem Gesellschaftsvertrag zu, der unsere Freiheiten einschränkt, uns dafür aber vor Gesetzesübertretungen unserer Mitmenschen schützt.
Unser Rechtssystem würde schnell zum Erliegen kommen, wenn wir uns nicht grundsätzlich darauf verlassen könnten, dass die meisten Menschen überwiegend ehrlich sind. »Überwiegend« ist dabei ein Schlüsselwort. Wir verlassen uns nicht einfach darauf, dass Zeugen vor Gericht die Wahrheit sagen. Dagegen vertrauen wir aber sehr wohl darauf, dass Gesetzeshüter ehrlich sind, die Wahrheit sagen, sich nicht bestechen oder nötigen lassen. Wäre das nicht der Fall, würde die Gesellschaft nicht mehr von Recht und Gesetz regiert, sondern von Macht und Einfluss. Die
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