Halten Sie sich für schlau?: Die berüchtigten Testfragen der englischen Elite-Universitäten (German Edition)
umfallende Bücherregale ein beliebter literarischer Kniff zu sein, eine ironische Methode, einen von Büchern besessenen Charakter sterben zu lassen.
Aber vielleicht sollten wir uns eher auf den Inhalt der Bücher konzentrieren statt auf ihr Potenzial, als Waffen eingesetzt zu werden. Klagen über schlechte – also minderwertige – Bücher sind weitverbreitet. Herzschmerz-Romanen und billigen Thrillern wird das gleiche mindere intellektuelle Niveau zugeschrieben wie den Sendungen im Nachmittagsfernsehen. Vor 200 Jahren gab es ähnliche Beschwerden. Eltern ereiferten sich darüber, dass junge Damen sich an den beliebten Schauer- und Liebesromanen, etwa von Ann Radcliffe oder Madame de Staël, ergötzten, anstatt durch die Lektüre von Sokrates und Tacitus ihren Geist zu bilden. Seichte Literatur stand bei der älteren Generation in dem Ruf, schändliche Fantasien auszulösen. Einige der jungen Leserinnen nahmen sich die Kritik durchaus zu Herzen. In ihrem Buch Women and Gender in 18th-Century Russia zitiert Wendy Rosslyn eine Heranwachsende, die hochtrabend verkündet: »Romane nützen einem gar nichts und halten einen nur davon ab, wirklich gute Bücher zu lesen.« Manche Dinge ändern sich nie ...
Zu den jungen Frauen, deren Fantasie durch Bücher unschicklich beflügelt wurde, gehörten so große Schriftstellerinnen wie Jane Austen und Mary Shelley – ganz zu schweigen von einer ganzen Generation von Frauen, deren Vorstellungskraft und Ehrgeiz durch die Lektüre von »Schundromanen« in positiver Weise beeinflusst wurden. Heute gestehen wir auch den frühen Schauer- und Liebesromanen gewisse Meriten zu. Vielleicht werden spätere Generationen das, was wir heute als »Schund« abtun, in einem viel freundlicheren Licht betrachten.
Abgesehen von der geschmähten »seichten« Literatur wurden im Lauf der Geschichte manche Bücher als so gefährlich erachtet, dass ihre Verbrennung angeordnet wurde. Ganze Bibliotheken wie diejenige des Bagdader Hauses der Weisheit wurden durch Feuer zerstört. Die meisten Menschen halten die Verbrennung von Büchern für beklagenswert, da sie nicht nur einen Akt der Beschneidung des Rechts auf Redefreiheit darstellt, sondern auch wertvolles Gedankengut vernichtet. Deswegen erscheinen uns die Bücherverbrennungen der Nazis ebenso als Tragödie wie die Vernichtung von Maya-Codices durch die spanischen Konquistadoren.
Und doch gibt es Bücherverbrennungen, die die meisten von uns begrüßen, etwa wenn die Polizei kinderpornografische Werke vernichtet. Als Verfechter des freien Willens fällt es mir schwer, die Zerstörung irgendeines Buches zu begrüßen oder ein Buch kategorisch als schädlich zu klassifizieren. Dennoch würde ich bei einem Buch mit Kinderpornografie die Grenze ziehen. Nicht in erster Linie, weil der Inhalt verdirbt, sondern weil das Buch durch Missbrauch entstand. Jedes Buch, das auf der Basis von Missbrauch hergestellt wurde, ist schlecht, es sei denn, es dient dazu, weiteren Missbrauch zu verhindern.
Dabei müssen Bücher, die »schlecht« für mich sind, nicht notwendigerweise für alle Leser schädlich sein. Viele konservative oder reaktionäre Menschen glauben, dass es gefährliche Bücher gibt, die der Allgemeinheit schaden. Das konservative Nachrichtenmagazin Human Events bat gleichgesinnte Wissenschaftler, eine Liste der in ihren Augen schädlichsten Bücher der letzten zwei Jahrhunderte zusammenzustellen. Wenig überraschend wählten diese das Kommunistische Manifest von Marx und Engels auf Platz eins, gefolgt von Adolf Hitlers Mein Kampf , dem Kleinem roten Buch mit den Zitaten von Mao Zedong und den Kinsey-Reports über das menschliche Sexualleben. Mit der Begründung, das Buch ziele zu sehr darauf ab, die Fähigkeiten von Schulkindern zu fördern, statt ihren Charakter zu bilden, wurde auch John Deweys Demokratie und Erziehung von 1916 in die Liste aufgenommen. John Maynard Keynes‘ wirtschaftstheoretischen Schriften wurde vorgeworfen, sie hätten die massive Staatsverschuldung der USA verursacht. Die beiden letzten Nennungen verdeutlichen, wie problematisch das Konzept »schlechter« Bücher ist: Vielen gelten Dewey und Keynes als wegweisende Autoren.
Natürlich kann man argumentieren, dass es ohne Mein Kampf keinen Holocaust und keinen Zweiten Weltkrieg gegeben hätte und ohne das Kommunistische Manifest kein Stalin-Regime in der UdSSR. Doch man muss zwischen Büchern und ihren Lesern unterscheiden. Bücher können immense Wirkung entfalten. Die
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