Haltlos
zog.
Doch das half nichts: Die Luft flirrte um ihn herum und er tötete Falk noch immer mit Blicken und – wie Victoria nun feststellte – auch mit Gedanken.
Jaromir konnte gar nicht mehr damit aufhören. Er stand noch in der Tür und mit Entsetzen sah sie, wie das Flirren um ihn herum sogar noch zunahm. Sie spürte, dass er sich krampfhaft an dem letzten bisschen Halt in seinem Innersten festkrallte, um sich nicht verwandeln zu müssen.
Victoria musste handeln und befahl ihrem Professor: „GEH ZUM PULT UND HOL DEINE UNTERLAGEN RAUS! Die ersten Studenten starren dich schon an…“
Gleichzeitig öffnete sie ihren eigenen Rucksack und nahm die Geometrieunterlagen raus.
Schwerfällig setzte sich der Professor in Bewegung und kramte mechanisch in seiner Tasche. Die Luft flimmerte noch immer.
Also tat Victoria das einzige, was laut Lenir in dieser Situation half: Sie versicherte ihm ihre bedingungslose Liebe, auch wenn sie tief in ihrem Inneren von seiner Eifersucht genervt war. Doch Jaromir konnte nichts dafür. Er kämpfte sogar dagegen an, das spürte sie genau.
Nach einer Minute waren seine Augen wieder etwas heller, sämtliche Unterlagen fein säuberlich vor ihm ausgepackt und er hatte sich so weit im Griff, dass er endlich mit der Übung beginnen konnte.
Sabine war die Anspannung im Raum nicht entgangen und sie raunte Felix zu: „Mann, ist der mies drauf heute!“
„Man kann wohl nicht jeden Tag gut drauf sein – auch ein Professor nicht“, flüsterte Felix zurück.
Kerstin sagte gar nichts, dachte aber so einiges. „Was ging denn da gerade ab? Haben die beiden Zoff?! Professor Unheimlich sah ja eben richtig wütend aus!“ Dann blickte sie unauffällig zu Victoria.
Die jedoch tat so, als sei sie völlig in ihre Unterlagen vertieft.
Falk, der neben Victoria saß, hatte noch nicht einmal seine Sachen rausgeholt. Er hockte nur wie erstarrt auf seinem Stuhl und wagte kaum zu atmen. Zum ersten Mal in seinem Leben fürchtete er sich vor den Konsequenzen, falls er von einem Professor beim Schummeln erwischt wurde. Er wollte auf GAR KEINEN FALL, dass Custos Portae ihn noch einmal so ansah, wie gerade eben!
Nach der Uni beschloss Victoria noch kurz in ihrer Wohnung vorbeizuschauen. Sie wollte sich ein paar Klamotten fürs Wochenende zusammenpacken und falls J da war, konnte sie ihm auch gleich von Lennard erzählen und ihn fragen, ob er was dagegen hatte, wenn sie ihn am Dienstag zum Nudelessen mitbrachte.
Als sie die Wohnungstür aufschloss, hörte sie schon J’s vergnügtes Pfeifen in der Küche. Wenige Augenblicke später steckte er seinen blonden Strubbelkopf durch die Tür und begrüßte sie lächelnd. „Hi Prinzessin! Auch mal wieder im Lande? Hast du Zeit für einen Becher Tee?“
Sie nickte. „Tee hört sich prima an, J!“
Er war schon wieder in der Küche verschwunden und rief gut gelaunt: „Sehr gut, Frau Abendrot. Ich setzte nämlich gerade einen auf…“
Victoria brachte ihren Rucksack in ihr Zimmer und ging zu J in die Küche. Schnaufend ließ sie sich auf einen Stuhl plumpsen. J sah sie prüfend an und stellte fest: „Du siehst gestresst aus. Ist irgendwas passiert?“
Sie lächelte. „Typisch J! Er braucht keine dreißig Sekunden, um zu bemerken, dass mit mir etwas nicht stimmt.“ Dann antwortete sie laut: „Ja, jede Menge! Ich hatte gestern einen Anruf von Sofia. Weißt du noch wer das ist?“
J grübelte kurz. „War das nicht die Austauschschülerin, von der du ab und zu mal erzählst? Sie kam aus… Schweden, oder so … richtig?“
Victoria nickte. „Fast! Norwegen – Oslo um genau zu sein. Und ihr kleiner Bruder Lennard will hier ein paar Wochen das Studieren testen. Sie möchte, dass ich dem jungen Mann etwas unter die Arme greife, weil er hier ja niemanden kennt. Er kommt am Wochenende an.“
J lächelte. „Hört sich doch spannend an. Aber sag mal, dann brauchst du doch bestimmt dein Auto, oder?“
Sie dachte kurz nach und meinte dann: „Wäre ganz praktisch. Dann kann ich ihn mit seinem Gepäck vom Bahnhof abholen. … wolltest du mein Auto leihen?“
J blickte etwas verlegen drein. „Das Wetter soll doch wieder so klasse werden, und die Jungs und ich wollten noch mal an den Strand.“
Sie grinste. „Und wie ich dich kenne, hast du deinen Jungs versprochen, deine Mitbewohnerin zu bearbeiten, damit sie ihre Autoschlüssel rausrückt, oder?“
Er nickte lachend. „Du kennst mich gut.“
Jetzt lachte auch sie. „Ach J, das ist kein Problem. Ich kann
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