Halva, meine Sueße
Zwiebeln und saftige Tomaten. Daneben
dampfte in einem Kupferkessel eine dicke Suppe, eine
Ash,
die Halva aus roten Linsen, Kartoffeln und Karotten
gekocht und mit Minze und Granatapfelkernen garniert
hatte.
Nach der Suppe warteten zwei verschiedene
Polo
-Gerichte
auf sie – Reis mit Mandeln, Pflaumen, Kräutern, Zimt, Lamm
und Fisch – neben einem goldfarbenen
Tah-chin,
einem luftigen
Reiskuchen, in dem in Buttermilch und Safran marinierte
Hühnerfilets verborgen waren. Iranische
Kofta,
lange
Fleischspieße, waren mit gegrillten Tomaten und ovalen, in
Olivenöl getränkten Paprika garniert. Der Spinat duftete
nach den Orangenspalten und dem wilden Knoblauch, die
Halva ihm untergemischt hatte, und als Nachspeise wartete
eine karamellisierte Quittentorte.
»Was gibt es denn sonst noch in eurem Café zu kaufen?«,
fragte Miryam ungläubig.
»Halva natürlich. Und zwar die beste der Welt. Und nur
unserer
Halva gelingt sie richtig«, sagte Mudi, der gerade eine
weitere Scheibe
Tah-deeg
von Raya gereicht bekam.
»Mamii hat mir damals vor unserer Abreise gezeigt, wie
die Frauen ihrer Familie Halva zubereiten«, fügte Halva erklärend
hinzu. »Ich habe bisher kein vergleichbares Rezept
gefunden. Du wirst ja selber sehen oder eben schmecken.«
»Ich bin gespannt«, murmelte Miryam und nahm sich
noch ein weiteres
Dolma.
Halva entging nicht, wie Cyrus
und Raya einander rasch ansahen. So viel Gier stand einer
Frau eigentlich nicht zu, aber Miryam konnte, nach alledem,
was sie durchgemacht hatte, für beinahe alles entschuldigt
werden.
»Deine Halva gibt es zum Tee, als Höhepunkt des Festes,
ehe wir tanzen. Aber Musik können wir natürlich jetzt schon
hören«, sagte Raya und drückte auf einen Knopf an dem
kleinen CD-Spieler, der auf einem niedrigen Regal neben
dem Tisch stand. Er war eines der ersten Dinge gewesen, die
Halvas Eltern nach ihrer Ankunft in Deutschland gekauft
hatten, und war mittlerweile hoffnungslos veraltet. Mudi
wollte immer, dass sie sich einen iPod kauften, doch Cyrus
erwiderte dann nur: »Was denn? Das Ding tut doch seinen
Dienst, oder?«
Halva tröstete Mudi, wenn sie unter sich waren: »Wenigstens
haben unsere Eltern keinen Schallplattenspieler mehr.
Das wäre erst bitter!«
Die schwere, sehnsuchtsvolle Stimme von
Googoosh,
der
Königin der Herzen aller Exil-Iraner, füllte den Raum. Raya
wiegte sich zu den ersten Takten weich und aus der Hüfte,
ohne den Oberkörper zu sehr zu bewegen, aber stellte dann
die Musik etwas leiser und klatschte in die Hände. »Bitte, greift zu!« Doch alle warteten, bis Cyrus sich als Erster von
der dampfenden
Ash
nahm.
Sie ließen sich mit gekreuzten Beinen auf den großen Kissen
am Boden nieder und aßen. Raya hatte in den letzten
Tagen ein Kissen für Miryam genäht und es nun vor die
Heizung gelegt. So hatte sie als Gast einen warmen Rücken
und neben Mudi auch den besten Platz in der Runde. Halva
gönnte es ihr, denn so wie ihre Tante aussah, wollte man ihr
alles Gute gleich doppelt und dreifach tun.
Eine genussvolle Stille breitete sich aus, die Mudi schließlich
unterbrach: »Ich hatte recht. Ich habe heute zu meinem
Kommilitonen Kai gesagt, dass für Iranerinnen
Nein danke
keine Antwort ist. Und dass nichts beleidigender ist, als
wenn ein Gast alles aufessen könnte, was angeboten wird.«
»Da hast du ihn ja wirklich in unsere Kultur eingeweiht«,
lachte Halva. »Nun weiß er alles, was man wissen muss. Tausende
von Jahren an Geschichte und Kultur in zwei Sätzen
zusammengefasst. Typisch Mudi.«
»Kennst du diesen Kai aus der Schule?«, fragte Raya ihn.
»Nein. Er hat mir geholfen, mich einzuschreiben. Aber
du kannst ihn ja gerne genauer über die Geschichte unseres
Landes informieren, wenn er mal kommt, Halva«, entgegnete
Mudi mit einem Augenzwinkern in Richtung seiner
Schwester.
»Hm. Da muss ich selber erst mal nachlesen.«
»Ich leihe dir gerne meine Bücher«, sagte Mudi. Halva tat,
als ob sie ein Stück Brot nach Mudi werfen wollte, und er
duckte sich.
Cyrus ließ den Blick seines gesunden Auges von seinem
Sohn zu seiner Tochter gleiten, als diese sich neckten, und verzog den Mund. Halva ließ die Hand sinken und auch
Mudi richtete sich wieder gerade auf. Ihr Vater war kein
Mann der leichten Worte, und sie wollten nicht, dass er sich
unbehaglich fühlte. Cyrus trank behutsam den sehr heißen
Schwarztee, den Raya gerade allen eingeschenkt hatte, und
nahm dankend noch mehr
Polo
mit Fisch von dem Tablett,
das Miryam herumreichte.
»Das hast
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