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Halva, meine Sueße

Halva, meine Sueße

Titel: Halva, meine Sueße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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du gut gemacht, Halva. Was für ein Fest«, lobte
er dann.
    »Danke, Baba.« Halva warf ihm einen warmen Blick zu,
den er mit einem Zwinkern seines gesunden Auges erwiderte,
ehe er zu Mudi sagte: »Wie heißt dieser Kai denn weiter?«
    Mudi war gerade dabei aufzustehen, um wieder an den
Tisch zu gehen und sich von den Fleischspießen und dem
Reiskuchen zu nehmen. »Warte mal, er hat es mir gesagt.
Ach ja, Blessing.«
    »Blessing? Wie der Arzt?«
    »Welcher Arzt?«, fragte Halva mit gerunzelter Stirn.
    »Der, der mir das Glasauge eingesetzt hat. Er hat ja erst
versucht, mir den Sehnerv, den der Handgranatensplitter
damals zerfetzt hatte, wieder aufzubauen. Im Iran hätte sich
niemand an eine solche Operation getraut. Ein beeindruckender
Mann. Leider haben die Nachuntersuchungen dann
immer andere Ärzte ausgeführt, und ich habe ihn nicht mehr
wiedergesehen, um ihm zu danken. Meinst du, dieser Kai ist
mit ihm verwandt?«
    »Kann sein. Ich habe ihn nicht nach seiner Familie gefragt.
«
    »Nicht?«, fragte Miryam erstaunt. Natürlich, im Iran vergaß
man nie, eine neue Bekanntschaft nach ihrer Familie zu fragen. Nichts sagte so viel über einen Menschen aus wie
seine Familie und wie er zu ihr stand.
    »Das solltest du aber. Familie, das ist der Anfang und auch
das Ende«, erwiderte Cyrus beharrlich.
    »Das nächste Mal, okay, Baba? Versprochen.«
    Mudi ließ sich wieder neben Miryam nieder, die nach ihrer
anfänglichen Begeisterung nun nur mit dem Löffel in ihrer
Ash
spielte, aber kaum etwas aß. Gerade mal die Granatapfelkerne
pickte sie von der Oberfläche, aber mehr auch nicht,
stellte Halva fest.
    »Was willst du jetzt machen, Miryam?«, fragte Mudi.
»Deutsch sprichst du ja schon ganz ordentlich.«
    Sie sah ihn scheu an. Ihre Stimme aber klang stachelig, als
sie antwortete: »Was meinst du mit
machen?
«
    Mudi riss sich von seinem warmen, duftenden
Naan
eine
Ecke ab. »Na, hier steht dir die Welt offen. Was hast du im
Iran die letzten Jahre gemacht? Wir haben in all der Zeit
kaum etwas von dir gehört, Halva und ich. Erzähl mal.«
    Miryams Hand schloss sich fester um ihren Löffel. Ihr
Blick suchte den ihres Halbbruders, doch Halvas Vater wandte
die Augen ab. Von ihm kam die Hilfe, die sie sich offenbar
erwartete, also nicht.
    Dafür bemerkte Halva, dass ihre Mutter Miryam ermutigend
zunickte. »Sag es ihnen, Miryam, mein Liebling. Was
geschehen ist, ist geschehen. Wir sehen nun nach vorn, ja?«
    »Ich …«, begann Miryam. »Ich bin die letzten Jahre kaum
aus dem Haus gekommen. Nie, eigentlich.« Sie senkte beschämt
den Kopf und Halva ließ vor Schreck ihren Löffel
fallen. Die Ash spritzte über ihre enge schwarze Hose.
    »Nie? Wirklich nie? Weshalb denn das?«
    Miryam starrte auf ihre Finger, die sie ineinander verknotet
hatte.
Googooshs
tiefe, seufzende Stimme aus dem CD-Spieler
ließ das plötzliche Schweigen noch unerträglicher
werden.
    »Wie dumm von mir, entschuldige. Ich will dich nicht
mit Fragen bedrängen«, sagte Halva und fasste Miryam am
Handgelenk. Ihre Haut fühlte sich kalt an und Halva sah im
hellen Mittagslicht die feinen Narben darauf: Keine davon
war länger als ein Zentimeter, aber es waren unzählige, die
rund um die Hand begannen und sich bis unter Miryams
Pullover fortsetzten. Halva erschrak. So etwas hatte sie noch
nie gesehen. Wer hatte Miryam das angetan?
    Sie streichelte ihrer Tante den Arm, die ohne jede Regung
auf ihrem Kissen saß. »Mama hat recht, wir blicken ab heute
nach vorn, und alles, was zuvor passiert ist, ist vergessen. Du
lebst jetzt hier, und wie Mudi richtig sagt: Hier steht dir die
Welt offen.«
    Miryam schloss stumm die Augen. Tränen liefen über ihr
Gesicht. Sie sah so mitleiderregend aus, dass auch Mudi
kurz seine Hand auf ihre Schulter legte.
    »Ihr seid so gut zu mir. Wie kann ich euch das danken?«,
flüsterte Miryam.
    »Oh, du könntest im Café die Frühschicht übernehmen«,
sagte Mudi mit einem schiefen Grinsen, was der Situation
das Beklemmende nahm. Endlich schienen sich alle daran
zu erinnern, weshalb sie hier zusammengekommen waren:
nämlich um zu feiern. Und alle, auch Miryam, mussten lachen.
    »Was heißt das, die Frühschicht?«, fragte sie, während
Halva die Suppenschalen in die Küche brachte. Die Tür ließ sie dabei offen, sodass sie alles mit anhören konnte, was
Mudi sagte.
    »Morgens um halb fünf muss immer jemand das Café aufsperren
und dem Bäcker das Brot abnehmen. Anfangs, als
wir eröffnet haben, hat Mama das
Naan
selber

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