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Halva, meine Sueße

Halva, meine Sueße

Titel: Halva, meine Sueße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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dennoch nach einer der beiden Flaschen, die in einer
Schale mit Eis lagen. Jede der Flaschen
Bollinger
hatte an die
hundert Euro gekostet, aber Raya hätte nie etwas Billigeres
gekauft, auch wenn sie dann selbst vier Wochen lang nur
Naan,
trockenes Brot, aß.
    »Natürlich. Wir können uns das doch leisten«, sagte Raya
mit einem bestimmten Blick zu Cyrus, der mit seinem gesunden
Auge zur Seite sah, während sein Glasauge starr
blieb. In einigen Dingen war ihre Mutter unnachgiebig, das
wusste Halva, und Baba hatte gelernt, wann er nachgeben
musste und wann nicht. Dennoch murmelte er jetzt: »Deine
Mutter glaubt noch immer, dass sie
pooldar
ist.«
    Pooldar.
Reich. Erhaben. Besonders. Oh nein, dachte Halva.
Jetzt bitte kein Streit um Sein oder Nichtsein,
pooldar
oder
nicht mehr
pooldar.
    »Wir sind, wer wir sind. Glaubst du, ich lasse es mir verbieten,
meinen Sohn zu feiern, wie es sich für uns gehört?«,
fragte Raya stolz. Cyrus füllte die Sektschalen, die Halva
am Wochenende zuvor auf einem Flohmarkt gekauft hatte, mit dem perlenden Getränk auf. Mudi nahm seine Schale
entgegen und alle stießen auf ihn an.
    »Auf Mudi!«, rief Halva und Miryam hob stumm ihr Glas.
    »Auf Mudi Mansouri, Richter in spe!«, sagte Raya und
warf ihm eine Kusshand zu. Sie alle tranken einen Schluck
und Halva genoss den wertvollen Geschmack des Champagners.
    »Oder Notar«, sagte Cyrus. »Soviel ich weiß, verdienen
Notare in Deutschland am besten.«
    »Nein. Richter soll er werden. Er muss dabei helfen, herauszufinden,
was Recht ist. Er soll schützen und strafen, so
wie mein Vater.« In Rayas Augen glitzerten Tränen, als sie
Mudi durch die kinnlangen Locken strich.
    »Jetzt macht mal halblang …«, begann Halva, der Mudi
bei all dem Gerede beinahe leidtat, obwohl der mit offensichtlichem
Genuss seinen Champagner trank. Es war ein
Segen Allahs, dass Mudi nicht hatte Rockstar werden wollen
oder dergleichen, sondern sich dem Wunsch und der
Hoffnung ihrer Eltern gefügt hatte. Allerdings war er auch
nie wirklich vor die Wahl gestellt worden. Halva und Mudi
wussten, was ihre Eltern auf sich genommen hatten, denn
sie hatten jeden Augenblick davon geteilt. Raya und Cyrus
liebten den Iran, das merkte Halva an tausend Kleinigkeiten.
Aber ein Leben, wie sie es sich für ihre Kinder wünschten,
war dort nicht mehr möglich gewesen.
    Sowohl Cyrus als auch Raya zogen bei Halvas Worten die
Augenbrauen hoch.
    »Verzeiht«, sagte Halva. Sie hatte mit ihnen wie mit ihren
Freundinnen auf dem Schulhof gesprochen. Hitze stieg in
ihre Wangen, und sie griff, um ihre Verlegenheit zu überspielen, nach den flachen Tellern mit kleinen
Dolma.
Die mit
Reis und Gemüse gefüllten Weinblätter hatte sie am Abend
in einer süß-sauren Brühe ziehen lassen, die aus Essig, Zitronensaft,
Wasser und Rohrzucker angesetzt wurde. Halva
wusste genau, was in jedem
Dolma
war, denn sie hatte sie
liebevoll selbst gefüllt: gehackte und in Knoblauchöl gebratene
Aubergine, süßer Kürbis, blanchierte Paprika und Tomaten.
Einige
Dolma
hatte sie als Überraschung neben der
Minze und der Petersilie mit süßen Quittenstückchen gewürzt.
Mudi begann sein Studium genau zur schönsten Zeit
des Jahres, wenn die Märkte voll mit Köstlichkeiten waren.
»Komm, Miryam, hilf mir«, sagte Halva auf Farsi.
    Miryam schien dankbar, sich nützlich machen zu können.
»Du musst nicht Farsi mit mir sprechen«, antwortete sie auf
Deutsch, verfiel dann aber doch wieder in ihre Muttersprache.
»Ich habe im vergangenen Jahr Deutsch gelernt. Seitdem
mein Ausreiseantrag lief. Deine Mutter hat mir CDs nach
Teheran geschickt, die unglaublicherweise auch bei mir ankamen.
Was nicht von der Polizei durchsucht und beschlagnahmt
wird, stehlen die Leute bei der Post. Anscheinend
herrschte auf dem Schwarzmarkt gerade keine Nachfrage
für Deutschkurse.«
    »Wir üben zusammen weiter!«, versprach Halva und fügte
dann hinzu: »Ich kann nicht glauben, dass Mudi und ich
nichts von deinem Ausreiseantrag gewusst haben!«
    Halva wollte so viele Fragen stellen, doch nun war nicht
der richtige Moment dafür. Ihre Mutter hatte gesagt, dass
sie Miryam hatten retten müssen.
Retten.
Wovor? Oder
vor wem? Halva kämpfte mit den Tränen und wischte sich
sorgsam die Augen, um den Khôl auf ihren Lidern nicht zu verschmieren. »Ich weiß noch, wie ich auf dem Weg nach
Deutschland im Flugzeug geweint habe, denn ich habe geglaubt,
dass wir uns nie wiedersehen.«
    »Ich hätte auch nicht darauf gehofft«, sagte Miryam leise.

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