Halva, meine Sueße
gebacken,
aber nun haben wir dazu einfach zu viel zu tun. Mittlerweile
haben wir einen Bäcker gefunden, der es ebenso gut macht
wie wir …« Raya sah ihn erstaunt an, sodass Halva, die aus
der Küche zurückgekehrt war, sich ein Lachen verbiss und
Mudi sich schnell verbesserte.
»Fast
so gut.«
»Das mache ich gerne. Ich will helfen, wo ich kann«, entgegnete
Miryam.
»Und wir können jede Hand gebrauchen«, erwiderte nun
Cyrus. Es war das erste direkte Wort, das er an seine Halbschwester
richtete, seit das Fest begonnen hatte. Sie sah ihn
dankbar an.
»Jetzt, wo ich an der Uni bin, kann ich nicht mehr so viel
im Café helfen wie zuvor«, fügte Mudi hinzu.
»Das sollst du auch nicht«, sagte Raya sofort. »Deine
Noten dürfen auf gar keinen Fall unter der Arbeit im
Hafez
leiden.«
»Und was ist mit Halva?«, fragte Miryam. Sie wandte sich
ihrer Nichte zu. »Wirst du mir morgens helfen?«
Halva öffnete den Mund, um zu sagen
Ja, sicher doch,
als
Raya schon an ihrer Stelle antwortete: »Nein, das kann sie
nicht. Halva macht in diesem Jahr das Abitur. Sie soll sich
ganz auf ihre Arbeit in der Schule konzentrieren. Schließlich
entscheidet sich damit ihre Zukunft.«
»Dieses Jahr schon? Seid ihr, Mudi und du, denn nicht
zwei Jahre auseinander?«, fragte Miryam.
»Ja. Aber Halva hat sich nach der Einbürgerung hier
schlauer angestellt als ich. Ich habe ein Jahr wiederholen
müssen und Halva nicht.«
»Aha!« Miryam sah Halva neugierig an. »Und was willst
du
denn einmal machen?«
»Was ich werden will? Alles, das ist ja mein Problem«,
sagte Halva und sog den warmen süßen Saft aus einer gegrillten
Tomate.
»Alles?«
»Ja. Heute zum Beispiel denke ich, dass Journalistin ein
interessanter Beruf sein muss. Aber gestern wollte ich Tierärztin
werden, weil ich einen kleinen Vogel mit gebrochenem
Flügel gefunden habe. Wer weiß, was mir morgen einfällt
…?«
»In ihrer Unentschlossenheit darf man Halva bloß nicht
stören …«, warnte Mudi und verkniff sich ein Grinsen.
»Ich bin nicht unentschlossen!«, regte Halva sich auf.
»Aber letztes Jahr am Meer wolltest du allen Ernstes
Bootsbauerin werden!«, sagte ihre Mutter neckend.
»Ich stelle es mir nun mal schön vor, Boote zu bauen. Irgendwie
meditativ. Und das Gefühl, ein Boot zum ersten Mal
segeln zu sehen, muss grandios sein. Ich muss in meinem
Beruf etwas schaffen können, so viel steht fest, sonst sterbe
ich. Vielleicht werde ich auch Schriftstellerin.«
»Hast du denn was zu sagen, was alle interessiert? Oder
wird das Halvas grandiose Bauchnabelschau?«, stichelte
Mudi weiter.
»Natürlich habe ich das! Außerdem stehe ich damit in
einer langen Tradition von iranischen Dichterinnen, die mit
Scheherazade begann.«
»Ich weiß nicht, ob Scheherazade unbedingt ein gutes
Vorbild ist«, sagte Mudi zweifelnd, während Miryams Blick
aufmerksam und gespannt zwischen Bruder und Schwester
hin und her ging.
»Weshalb nicht? Ihre Geschichten haben den Sultan, der
vorher nach jeder Hochzeitsnacht seine Braut umgebracht
hat, geheilt. Er war an Leib und Seele krank und sein ganzes
Land mit ihm! Aber Scheherazades Worte haben ihn wieder
gesund gemacht, über tausend und eine Nacht lang.«
»Also, vielleicht sollten wir noch mal ans Meer fahren und
du wirst doch besser Bootsbauerin«, sagte Halvas Vater lächelnd.
»Wo wart ihr am Meer?«, fragte Miryam und Cyrus antwortete:
»In der Bretagne, in Nordfrankreich. Wunderschön
dort, aber ganz anders als am Kaspischen Meer.«
Miryam zuckte die Schultern. »Ich war nie am Kaspischen
Meer.« Einen Augenblick lang schwiegen alle, doch dann
sagte Miryam schon zu Halva: »Ich verstehe gut, dass du
dich auf die Schule konzentrieren musst. An deiner Stelle
würde ich nichts anderes tun. Ich bin froh, wenn ich mich
bei euch nützlich machen kann. Wir müssen schließlich zusammenhalten.
«
Halva umarmte Miryam kurz und ihre Tante schmiegte
sich an sie. »Keine Sorge. Es ist ganz einfach. Außerdem
komme ich immer montagmorgens vor der Schule im Café
vorbei, um meine Halva zuzubereiten. Die bieten wir nämlich
nur einmal in der Woche frisch an. Ich helfe dir, wo ich
kann, versprochen«, sagte Halva.
»Die kannst wirklich nur du zubereiten, Halva, meine
Süße«, lobte ihr Vater. »Aber jetzt muss ich erst noch von dem
Tai-Chin
essen. So etwas Gutes darf man nicht verkommen
lassen.«
Miryam stand ebenfalls auf, um sich mehr von dem Buffet
zu nehmen. Sie schien erst jetzt wieder richtig Appetit
Weitere Kostenlose Bücher