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Halva, meine Sueße

Halva, meine Sueße

Titel: Halva, meine Sueße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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in
Richtung Rathausplatz vorbeidrückten.
    Als Halva sich noch einmal nach ihm umdrehte, war Kai
schon über die Straße gelaufen und steuerte auf die Treppen
neben dem Rathaus zu. Am obersten Absatz drehte auch
er sich noch einmal nach ihr um. Halva stand ganz still.
Keine Bewegung passte zu dem überwältigenden Gefühl in
ihrem Inneren. Kai legte sich die Finger an die Lippen. Halva
nickte.
Dass auch die Lippen wie die Hände tun.
Dann verschwand
er. Sie schaute in den Himmel, der grau und bleiern
mit schneeschweren Wolken über dem Rathausplatz hing.
Von den Ballons war nichts mehr zu sehen, und doch folgte
Halva ihrer Spur, bis hin zur Schule, wo sie im Bio-Kurs rein
gar nichts mitbekam.
    »Und, haben die Lippen wie die Hände getan?«, fragte Hannah,
als sie Halva auf dem Nachhauseweg an der Tür begegnete.
    Halva erwachte wie aus einem Traum. »Ja«, sagte sie versonnen.
»Woher weißt du das?«
    »Das sehe ich dir an. Du strahlst!«
    Halva spürte, wie sie rot wurde. Ob Hannah nachvollziehen
konnte, was sie gerade fühlte? Doch die abschätzende
Miene ihrer Freundin löste sich in ein warmes Lächeln auf,
als sie sagte: »Das freut mich aber. Du musst mir noch unbedingt
mehr von ihm erzählen! Aber jetzt muss ich blöderweise
schon wieder schnell los. Vielleicht können wir mal zu
viert ausgehen.«
    »Zu viert?«
    »Na, Johannes und ich und ihr beide.«
    »Ich dachte, du hättest dich von ihm getrennt?«
    »Ach was!«, Hannah winkte lachend ab. »Was kümmert
mich mein Geschwätz von gestern?«
    »Bei dir hat wohl jemand das Licht angeknipst«, sagte Mudi,
als sie gegen fünf Uhr nach Hause kam.
    »Was meinst du damit?«
    »Na, du leuchtest richtig. Was ist denn passiert? Hast du
eine gute Note geschrieben?«
    Miryam kam aus dem Wohnzimmer, lehnte sich gegen
den Türrahmen und sah Halva prüfend an. Aber sie schwieg.
Halva lächelte nur, wickelte sich den Schal ab und legte ihre
Handschuhe in die silberne Schale auf der Ablage im Flur.
    »Nein, nein. Es geht mir einfach nur gut, das ist alles.«
Dann stutzte sie, als sie den Brief in der Schale sah. »Ist das
nicht der Brief, den wir letzte Woche gefunden haben? Hat
Baba ihn denn noch nicht gelesen?«
    »Hm? Was?« Mudi warf einen Blick auf den Umschlag.
»Stimmt, er sieht genauso aus. Aber der hier kam heute an.
Ich habe ihn selber aus dem Briefkasten geholt.«
    Pamir tappte in den Flur und strich schnurrend um Halvas
Beine. Sie nahm den schweren Kater auf den Arm und musterte
mit gerunzelter Stirn den hellblauen Briefumschlag.
Dann sagte sie: »Warte mal, dicker Kater«, setzte Pamir wieder
ab und nahm den Umschlag in die Hand. Kein Zweifel,
der Name ihres Vaters und ihre Adresse an der Friedberger
Landstraße waren von derselben ungelenken Hand geschrieben
worden wie schon der Brief, den sie vor wenigen Tagen hinter dem Vorhang der Wohnungstür entdeckt hatte. Sie
drehte ihn um und versuchte, den Namen des Absenders
zu entziffern, doch es gelang ihr nur mit seinem Vornamen:
Bijan.
    Halva lag in ihrem Bett und lauschte von nebenan den Stimmen
ihrer Eltern. Sie sah auf das kleine Leuchtzifferblatt
ihres Weckers. Beinahe elf Uhr! Sie versuchte vergeblich,
einzuschlafen. Erst war sie in Gedanken noch bei ihrem
Frühstück mit Kai gewesen: Welches Mädchen bekam schon
eine Spur aus Luftballons gelegt? Bei dem Gedanken an die
Neugierde und auch die Selbstverständlichkeit, mit der er
sich bei der verdutzten Bedienung ein iranisches Frühstück
zusammengestellt hatte, musste sie wieder lachen.
    Nebenan wurden die Stimmen lauter.
    Halva setzte sich auf. Worum ging es? Stritten sich Baba
und Mama etwa? Nein. Das war doch so gut wie noch nie
vorgekommen. Sie zögerte kurz, bat ihre Eltern stumm um
Verzeihung für diese Respektlosigkeit und presste dann ihr
Ohr gegen die Wand, um alles genau zu verstehen.
    Raya klang erregt. »Gib mir den Brief. Gib ihn mir! Ich
zerreiße ihn in tausend Stücke!«
    »Nein, Raya. Nein. Ich werde ihm morgen antworten.«
    »Und
was
willst du ihm antworten, Cyrus?«
    »Was wohl?«
    »Cyrus! Bitte! Lass uns das vergessen.«
    »Was soll ich vergessen? Und wie? Ich habe ihm mein
Wort gegeben. Mein
Wort.«
    Raya erwiderte nichts, doch dann hörte Halva sie unterdrückt
schluchzen.
    »Es war doch damals nur so dahingesagt und es ist so
lange her. Cyrus! Ich war mir so sicher, dass er es vergessen
würde.«
    Ihr Vater schwieg eine Weile, ehe er seufzte. »Raya. Ich
habe mein Leben lang oder so lange, wie wir verheiratet sind,
gemacht, was du

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