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Halva, meine Sueße

Halva, meine Sueße

Titel: Halva, meine Sueße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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wolltest. Ich habe mit meiner eigenen Familie
gebrochen. Ich habe alle Hebel in Bewegung gesetzt,
damit wir den Iran verlassen konnten.«
    »Cyrus …«
    »Ja, ich weiß. Es war hauptsächlich
mein
Leben, das bedroht
war, aber doch auch unser aller Existenz. Wir haben hier in
Augsburg etwas aufgebaut, worauf wir stolz sein können. Versteh
mich nicht falsch. Ich habe mich nie als ein geringerer
Mann gefühlt, weil ich meiner Frau nachgebe. Aber täusch
dich nicht, Raya. Ich weiß genau, wann ich
nicht
nachgeben
darf. Ein Ehrenwort ist ein Ehrenwort. Und je mehr du dich
gegen den Gedanken wehrst, umso schlimmer wird es für
uns alle.«
    »Bitte …« Die Stimme ihrer Mutter war vor Schmerz erstickt.
Halva konnte nicht richtig atmen. Ihre Kehle war wie
zugeschnürt.
    »Vielleicht wird es ja nicht so schlimm werden«, fuhr ihr
Vater nun fort. »Bijans Familie ist gut und er stand immer
auf der richtigen Seite.«
    »Nicht so schlimm werden? Wie kannst du das sagen?
Gerade du, der …«
    »Der fast von ihnen umgebracht worden wäre, willst du
sagen? Gerade ich, ja. Man muss nach vorn sehen. Die Dinge
können sich ändern. Ich glaube an die Jugend im Iran. Die
letzten Wahlen waren nur ein Vorgeplänkel. Auf ewig kann man ihre Stimme nicht ersticken. Wer weiß, vielleicht wird
sie ein Teil dieses Wandels sein?«
    »Nein. Nein. NEIN!«, schrie Raya, doch Cyrus' Stimme
blieb ruhig und kontrolliert, als er hinzufügte: »Wer weiß.
Vielleicht wird sie glücklicher so. Heirat ist eine zu wichtige
Angelegenheit, um sie dem Zufall zu überlassen. Das wissen
die jungen Leute nur noch nicht.«
    Raya weinte nun wieder und Halvas Herz zog sich aus
Mitleid für ihre Mutter zusammen. Was machte sie so traurig?
Sie wollte mitweinen.
    Doch plötzlich schrie Raya Baba an und die Pein in ihrer
Stimme ließ Halva zusammenzucken.
    »Wie konntest du dich nur darauf einlassen? Wie konntest
du nur? Wir sind doch keine Schafhirten, die vor fünfhundert
Jahren lebten! Wir sind zivilisierte Menschen …«
Ihre Worte ertranken in Schluchzen, doch Cyrus' Stimme
klang schneidend.
    »Hör auf! Ich verbiete dir, noch ein weiteres Wort dazu
und in diesem Ton zu mir zu sagen.« Halva hielt den Atem
an. Sie hatte ihren Vater noch nie so mit ihrer Mutter sprechen
hören. Er schien im Zimmer nebenan auf und ab zu
laufen, wie ein Tiger in seinem Käfig. »Ich habe mein Wort
gegeben und ich halte es. Wie konnte ich nur, fragst du mich?
Ganz einfach. Es ging damals um alles, Raya. Hast du das
vergessen? Um alles. Für dich, für mich, für die Kinder. Für
uns. Ich wollte mein Leben retten. Du wolltest Freiheit. Das
wertvollste Gut überhaupt. Etwas so Wertvolles hat seinen
Preis.« Cyrus machte eine kurze Pause und atmete heftig.
Als er weitersprach, klang seine Stimme brüchig. »Bijan hat
mir damals den Preis genannt und ich, nein,
wir
haben ihn akzeptiert. Das stimmt doch, Raya? Oder etwa nicht? Ich
habe die Entscheidung doch damals nicht allein getroffen?«
    Raya schwieg und Cyrus zischte: »Antworte mir. Ich bin
nicht allein schuldig.«
    »Nein«, flüsterte Raya. »Nein. Wir haben die Entscheidung
gemeinsam getroffen. Was hätte ich denn tun sollen?
Es ging doch um …«
    »Um?«, fragte Baba und seine Stimme klang beinahe –
Halva suchte nach einem Wort und fand nur eines: lauernd. »Um was, Raya?«
    »Es ging um
dich,
Cyrus. Ich weiß, was du erlitten hast …«
    »Nein, das weißt du nicht.« Cyrus seufzte, und Halva hörte
die Bettfedern knarzen, als ob ihr Vater sich schwer auf die
Matratze setzte. »Ich habe dir bei Weitem nicht alles erzählt,
was damals im Gefängnis passiert ist, Raya. Es genügt, wenn
es
mich
Nacht für Nacht quält. Darunter sollst nicht auch du
noch leiden. Allein der Gedanke, sie könnten mich wieder
holen oder dir und den Kindern etwas Ähnliches antun, genügte,
um mich alles, aber auch alles versprechen zu lassen.
Deshalb habe ich Bijan mein Wort gegeben. Weil sie mir die
Seele mit glühenden Zangen aus dem Leib ziehen wollten.«
    In dem Zimmer ihrer Eltern blieb es unheilvoll still.
    Auf Halvas Armen bildete sich eine Gänsehaut. Etwas
grauenvoll Endgültiges lag in der Art und Weise, in der ihr
Vater sagte: mein
Wort.
Sein Wort wozu?, fragte sich Halva.
Ihr Herz schlug hart und ihr Mund wurde trocken. Von wem
sprachen sie? Es musste um Miryam gehen, dachte sie. War
sie denn nach dem schrecklichen Ende ihrer ersten Liebe
einem anderen versprochen gewesen? Was stand in diesen
verdammten Briefen?
    Sie legte sich wieder

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