Halva, meine Sueße
Gemälde und auch nicht das Golfbag in der
Ecke neben der Garderobe, die in einem Biedermeierschrank
untergebracht war.
Sie sah nur Kai und das Herz klopfte ihr bis zum Hals.
Was wollte er und was wollte sie? Was erwartete er von ihr?
Alles in ihr, an ihr war in Aufruhr, als Kai die Tür zur Küche
öffnete. Würde er sich an sein Wort halten?
Nichts geschah,
das sie nicht wollte.
Wieder dieses verdammte Misstrauen! Sie
biss sich auf die Lippen. Das war Mudis Schuld. Von ihm ließ
sie sich nicht die Zeit mit Kai versauen, so viel stand fest.
»Ich ziehe mich schnell um. Dann mache ich uns einen
Tee, ja?«, sagte er leise. »Willst du mit hochkommen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich warte hier.«
»In Ordnung! Mach's dir bequem. Ich bin gleich wieder
da.« Er küsste sie flüchtig auf den Mund und sprang dann,
zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppen hinauf.
Als er einige Minuten später in die Küche zurückkehrte,
trug er Jeans und T-Shirt, lief aber immer noch barfuß.
»Trinkst du deinen Tee mit Milch und Zucker?«, fragte er
und setzte das Wasser auf.
»Keine Milch, bitte. Und mit einem Zuckerstück. Wie im
Café
Drexl, als du das iranische Frühstück bestellt hast.«
»Klar. Ich Esel!« Dann lachte er. »Meinst du, sie haben
das schon als Klassiker auf ihre Speisekarte aufgenommen?«
»Kann ich mir nicht vorstellen. Die Kellnerin wirkte mehr
als befremdet.«
»Das muss im Sinne der Völkerverständigung unbedingt
durchgesetzt werden. Ab jetzt wird immer ein iranisches Frühstück
dort bestellt«, sagte Kai bestimmt und Halva musste
lächeln. Mit Kai war alles so einfach und ungezwungen.
Als der Tee fertig war, legten sie sich gegenseitig ein Zuckerstück
auf die Zunge. Halva ließ den herben Geschmack
des Tees darüber hinwegwaschen. Dabei stand ihr Kai so
nahe, dass sie seinen Atem an ihrer Wange spürte. Vor Aufregung
schluckte sie zu rasch und verbrannte sich die Kehle.
Kai strich ihr die Haare nach hinten und sah sie ernst an. »Ich will so viel von dir wissen.«
»Was denn zum Beispiel?«
»Fangen wir doch ganz von vorn an. Wo genau bist du
geboren?«
»In Teheran.«
»Wie ist es dort? Erinnerst du dich noch an viel? «
Halva zögerte. »Ja. Ich war schließlich schon acht, als wir
von dort weg sind … Früher soll es eine sehr lebhafte und
elegante Stadt gewesen sein, sagt Mamii.«
»Wer ist Mamii?«
»Meine Großmutter. Sie lebt noch immer dort.«
»Hast du sie wiedergesehen, seitdem ihr ausgereist seid?«
Halva schüttelte den Kopf. »Nein. Ich war nie wieder im
Iran. Mein Vater …«
Sie stockte.
»Ja?« Kai ließ sie nicht aus den Augen. Halva stellte ihren
Tee ab und Kai nahm ihre Hand. Er drückte sanft ihre Finger.
»Was war mit deinem Vater?«
Halva blickte einen Moment auf ihre ineinander verschlungenen
Hände und holte dann tief Atem. »Mein Vater
kam aufgrund eines Missverständnisses ins Gefängnis. Sie
haben ihn dort geschlagen und gefoltert …« Ihre Stimme
verlor sich und sie rang um Fassung. Sie erinnerte sich noch,
wie ihre Mutter Baba nach Hause gebracht hatte. Die Verzweiflung,
die Tränen, die Gebete und die Flüche. Babas
Albträume, die in all den Jahren kaum nachgelassen hatten
und die sie alle quälten.
»Mein Gott!« Kai umarmte Halva und sie atmete noch
einmal tief durch.
Seine Nähe half ihr, sich zu fassen, und sie sah zu ihm
hoch. »Man darf nicht alles glauben, was im Fernsehen gesagt
wird. Mein Land ist wirklich wunderschön. So vielfältig
und geprägt von unserer uralten Kultur. Die Leute bei uns
sind eigentlich offen, an anderen interessiert und sehr gastfreundlich.
«
Kai sah sie aufmerksam an, sodass Halva weitersprach.
»Mein Lieblingsblog heißt
Life goes on in Teheran.
Der Blogger
hat auch eine Seite auf Facebook. Wenn dort einige Wochen
mal nichts gepostet wird, dann regnet es sofort besorgte
Nachfragen. Meine Großmutter hat einmal gesagt: Es gibt
wohl die Freiheit zu reden, aber keine Freiheit nach der Rede.
Das trifft es, glaube ich, ziemlich auf den Punkt.«
»Ich schaue mir die Seite heute Abend an«, versprach Kai,
ehe Halva noch hinzufügte: »Er ist sicher kein typischer Teheraner,
weil er auch viel reist, nach Paris und L.A. Aber
seine Fotos und Kurzfilme sind fantastisch und im Geheimen
aufgenommen. Das macht sie so persönlich und beeindruckend.
«
Er sah sie ernst an. »Wahnsinn … Ich kann mir gar nicht
richtig vorstellen, was du alles durchgemacht haben musst.
Deine ganze Familie …«
Sie zuckte mit den
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