Halva, meine Sueße
wirbelte sie herum und sie
lachte.
Piep, piep
machte Mudis Handy in diesem Moment hinter
ihnen.
»Oh nein!«, rief er aus.
Halva hatte gerade ihren Kopf gehoben, um Kai zu küssen,
als sie die Stimme ihres Bruders hörte. Sie drehte sich
zu ihm um. »Mudi?«, fragte sie ungläubig.
Kai umfasste ihre Finger. Keine Angst, sollte diese Geste bedeuten. Mach dir keine Sorgen. Ich bin bei dir. Zusammen
schaffen wir das. Zusammen schaffen wir alles. Doch Halva
löste sich von Kai und er folgte ihrem Blick.
Mudi kam auf sie beide zu und hielt bedauernd sein
Handy hoch. »So ein Mist. Sorry, dass ich störe, aber, Halva,
wir müssen gehen. Miryam ist nicht gut, du musst im Café
helfen. Aber ihr seht euch ja sicher bald wieder.« Er lächelte
nicht, was seinen Worten die Schärfe ließ. Seine Stimme
klang entschieden, und er fasste Halva am Arm, um sie mit
sich zu ziehen.
Kai verstand: Die Gnadenfrist war vorbei.
»Kann ich Kai wenigstens für heute noch auf Wiedersehen
sagen?«, fragte sie mit einer dünnen Stimme, die Kai
vor Zorn den Atem verschlug. Niemand sollte Halva so einschüchtern.
»Ich weiß nicht …«, begann Mudi und er sah Kai dabei
nicht an.
»Bitte, Mudi!«, flehte Halva, was Kai noch wütender
machte. Sie mussten niemanden um irgendetwas bitten!
»Mudi, ich warne dich …«, sagte Kai drohend und machte
einen Schritt nach vorn. Er gab sich jetzt keine Mühe mehr,
seinen Zorn zu verbergen. Mudi wich zurück, aber blickte
Kai direkt und herausfordernd an.
»Nein!« Halva stellte sich mit einer schnellen Bewegung
vor Kai und streckte ihre Arme aus, sodass ihre Hände sowohl
Kai als auch Mudi an der Brust berührten. Sie stand
genau zwischen ihnen, als sie nun in einem festen, entschiedenen
Tonfall sagte: »Kai! Mudi ist mein Bruder. Mudi.
Bitte. Das ist
Kai.«
Sie alle waren eine Insel im dünner werdenden Strom der Schüler. Einige von ihnen sahen sie neugierig an, aber gingen
dann weiter, ohne sich einzumischen.
»Kai …«, begann Mudi und seine Stimme klang mit einem
Mal hilflos. »Bitte. Du verstehst das nicht.«
»Was denn?«, erwiderte Kai trotzig. »Dass Miryam so
plötzlich krank geworden ist? Stell dich doch selbst ins Café,
Mudi. Oder ist da etwas anderes, das ich nicht verstehe?«
Mudi schüttelte nur den Kopf und ignorierte seine Worte.
»Lass uns gehen, Halva. Lass uns alles nicht noch schlimmer
machen«, drängte er. »Ich bringe dich ins Café und bleibe
dort.«
»Musst du nicht zu deinem Vorstellungsgespräch, Mudi?«,
fragte Kai lauernd.
Mudi presste die Lippen zusammen. Kai sah die Muskeln
in seinem Kiefer spielen. So offen bei einer Lüge ertappt worden
zu sein, störte ihn ganz offensichtlich. »Das muss ich
eben verschieben. Ich rufe nachher in der Kanzlei an.«
Mudi griff nach Halvas Arm und zog sie zu sich heran,
doch Kai fasste rasch ihre Hand. Sie hielten sie nun zwischen
sich gefangen. Es gab kein Vor und kein Zurück, für
keinen von ihnen.
»Halva! Wir wollten doch spazieren gehen. Bleib hier. Wer
weiß, was passiert …«, sagte Kai und sah sie beschwörend an.
Ihre grünen Augen waren dunkel vor Kummer und er
schluckte. Was geschah hier? In welches Spiel wurden sie
da hineingezogen? Tränen schimmerten in Halvas Augen,
als Mudi sie weiter zu sich zog. Doch Kai ließ sie ebenfalls
nicht los.
»Nein, Mudi, ich will …«, begann Halva flehentlich.
»Was willst du? Wir brauchen dich jetzt. Deine Familie braucht dich, okay?«, sagte er freundlich, doch seine Augen
schauten streng. Sie aber löste ihren Blick nicht von Kais.
»Lass mich los, Mudi«, zischte sie. »Ich bin kein Tier. Ich
werde nicht einfach davonlaufen.«
Er zögerte.
»Nur einen Moment, okay?«, fügte sie etwas ruhiger
hinzu. »Mudi, bitte.«
»Also gut«, erwiderte Mudi widerstrebend und ließ Halva
los.
Dann sah er wieder Kai an und dieser entdeckte Entschiedenheit,
aber auch Trauer in den Augen seines Freundes.
Seines
früheren
Freundes, dachte er hasserfüllt. Ja. Hass. Das
war es. Er hasste Mudi gerade.
Halva schob Kai einige Schritte nach hinten, ging auf die
Zehenspitzen und Kai spürte ihre warmen vollen Lippen
seine Wange streifen. Mehr nicht. Der Hauch von Nähe.
Sollte mehr nie wieder möglich sein? Alles in ihm verknotete
sich. Hilflos fasste er Halvas Hand und neigte seinen Kopf
zu ihr. Der zarte Hauch ihres Parfums raubte ihm fast den
Verstand. Er wollte Halva an sich drücken, sie aufsaugen, sie
für immer bei sich haben. Stattdessen blieb er reglos stehen,
denn Mudi ließ
Weitere Kostenlose Bücher