Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Halva, meine Sueße

Halva, meine Sueße

Titel: Halva, meine Sueße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
Vom Netzwerk:
Mudi
die Treppe hinunter.
    Im Flur brannte Licht, und Halva sah auf die Uhr: Es war
drei Uhr morgens. Mudi zerrte sie hinter sich her in Richtung
Wohnzimmer.
    »Was ist denn los? Hast du sie noch alle? Lass mich los. Du tust mir weh!«
    Halva wand sich, doch Mudi zischte nur: »Halt den Mund
oder du fängst dir noch eine!«
    Sein Griff schmerzte an ihrem Handgelenk und er stieß
sie grob ins Wohnzimmer. Halva strauchelte, aber kam dann
neben dem niedrigen Tisch zum Stehen. Der Zimmerspringbrunnen
plätscherte noch immer leise vor sich hin und es
roch nach kaltem Zigarrenrauch. Plötzlich verursachte ihr
der Duft Übelkeit, statt sie an eine glückliche Kindheit zu
erinnern.
    Außer ihr selbst war anscheinend niemand zu Bett gegangen:
Raya, Cyrus und auch Miryam saßen auf dem Sofa
und trugen noch ihre
No-Rooz
-Festtagskleider. Sie wirkten
wie ein Tribunal.
    »Was?«, begann Halva trotzig und suchte Miryams Augen,
doch der Blick ihrer Tante durchbohrte sie wie Nadeln. Sie
sah nichts als Kälte und Ablehnung darin. Halva verstand
nicht. Was war los? Wie konnte Miryam sich so wandeln?
Heute Nachmittag waren sie einander noch so nahe gewesen
– die besten Freundinnen. Halva blickte ihre Tante noch
einmal fragend an, aber was sie nun in ihren Augen las, war
nicht nur Ablehnung, sondern blanker Hass.
    Halva wurde kalt vor Schreck. Etwas war geschehen. Sie war auf einmal allein, ohne Verbündete. Sie schüttelte den
Kopf.
Nein, Miryam, nein,
flehte sie stumm. Warum? Warum
nur? Dann wurden ihr die Knie weich.
    »Ich muss mich setzen …«, murmelte sie und Mudi drückte
sie auf eines der Kissen. Seine Hand wog Tonnen. Wollte
er ihr die Schulter brechen?
    »Aber bitte doch …«, sagte er gehässig. Halva zog zitternd
die Knie an. Ihre Finger verkrampften sich, als sie sie vor
ihren Schienbeinen verschränkte.
    Ihr Vater stand auf und tigerte ein, zwei Mal durch das
enge Zimmer. Sein Gesicht war grau und sein eines gesundes
Auge vom Rauch oder vielleicht auch von Tränen gerötet.
Schließlich blieb er vor Halva stehen. Sie hob den Blick zu
ihm und hatte das Gefühl, zu einem Turm hinaufzusehen.
Er war so weit weg von ihr.
    Baba! Nicht!,
wollte sie schreien, doch sie brachte keinen
Laut hervor. Dann zuckte sie heftig zusammen, als ihr Vater
plötzlich losschrie: »Stimmt es, was Miryam sagt? Dass du
dich jeden Montagmorgen mit Kai getroffen hast? Dass du
dich mit ihm in Cafés herumgedrückt hast? Dort, wo alle
dich sehen können? Nicht besser als eine … eine …«
    »Cyrus!«, mahnte Raya leise, doch ihr Mann schnitt ihr
mit einer kurzen Handbewegung das Wort ab und Raya gehorchte.
Er ist ein guter Mann, der tut, was ich ihm sage,
erinnerte
sich Halva an die Worte ihrer Mutter damals in Mamiis
Haus.
    Sie schluckte, doch ihre Kehle blieb trocken.
    Miryam hatte sie verraten! Nein, das war unmöglich.
Oder? Stimmte es, was ihr Vater da sagte? Halva rang nach
Atem und sah wieder zu ihrer jungen Tante, die noch immer ihr rotes Kleid trug. Sie hatte in dem warmen Zimmer die
Ärmel bis über ihre Ellenbogen hochgezogen und man sah
die Narben an ihren schmalen Handgelenken. Was war nur
geschehen? Miryam hätte ihr ebenso gut ein Messer ins
Herz stoßen können. Wie hatte sie sich nur so in ihr täuschen
können?
    »Sieh mich an!«, schrie ihr Vater wieder, brach dann aber
sofort ab. Er rang sichtlich um Fassung und konnte vor Zorn
nicht weitersprechen.
    Daher packte Mudi Halva nun am Kinn und riss ihr den
Kopf hoch, dass ihre Nackenwirbel knackten. Er zwang sie,
ihn anzusehen. Halva fuhr vor der Wut in seinem Gesicht
zurück, doch es gab kein Entkommen.
    »Antworte mir! Hast du Kai jeden Montagmorgen getroffen,
obwohl wir dir das verboten hatten?«, fragte Mudi mit
gepresster Stimme. Er schien sich nur mit aller Kraft zu beherrschen.
»Obwohl ich dich und ihn so oft gebeten habe, es
nicht zu tun? Habt ihr beide mich verraten?«
    Halvas Entsetzen lähmte sie für einen Augenblick, doch
dann nahmen ihr Zorn auf Mudi und sein Benehmen überhand.
»Dich verraten?«, zischte sie. »Du verdammter Großkotz!
Denkst immer nur an dich, Mudi. Der große, tolle
Mudi! Dabei bist du uns so verdammt unwichtig! Das kannst
du dir gar nicht vorstellen. Ja – ich habe Kai getroffen. Ich
liebe ihn! Er liebt mich! Wir scheren uns einen Dreck um
dich … «
    Mudi stieß sie hart nach hinten, sodass sie vom Kissen
fiel und mit dem Kopf gegen den Tisch schlug. Halva schrie
auf und rang schluchzend nach Atem. Ihr Kopf dröhnte und
Sterne tanzten vor

Weitere Kostenlose Bücher