Hanan 1 - Brüder der Erde
gleiten, faltete ihn zusammen und legte ihn wieder in die Schublade. Tränen traten ihm in die Augen, Tränen der Trauer um Mim und Tränen der Freude, wieder in Elas zu sein. Elas war wieder sein Heim, er konnte hier leben und an sie denken und versuchen, nicht mehr um sie zu trauern.
t'Nethim, sein Schatten, stand unsicher auf dem Treppenabsatz. Kurt hörte ihn und bat ihn, ins Zimmer zu kommen. Der Indras trat unsicher herein und verneigte sich vor der erloschenen
phusa
.
»Hier ist neue Kleidung«, sagte Kurt und öffnete den Schrank. »Nimm dir, was du willst.«
Er zog seine eigenen schmutzigen Sachen aus, ging ins Bad, wusch und rasierte sich mit kaltem Wasser und zog saubere Kleidung an. Lhe t'Nethim tat dasselbe. Kurt stellte fest, daß er sich sehr verändert hatte. Er war sonnengebräunt und magerer als früher. Über seine Rippen liefen mehrere Narben, die noch immer empfindlich waren, wenn er sie berührte. Aber die Ereignisse, die sie verursacht hatten, lagen weit zurück, ausgelöscht von den freundlichen Wänden dieses Hauses.
Nur t'Nethim erinnerte ihn daran, daß sie sich noch immer im Krieg befanden.
Als sie beide fertig waren, gingen sie wieder nach unten und in den
rhmei
.
Kta hatte das heilige Feuer wieder entzündet, und sein warmes Licht scheuchte die Schatten in die dunklen Ecken der Halle. Elas war wieder zum Leben erwacht.
t'Nethim hatte jetzt eine Scheu, den
rhmei
zu betreten. Er ging in die Eingangshalle und hockte sich hinter die Tür, das Schwert neben sich wie ein selbsternannter Wachtposten.
Kurt trat zu Kta in den
rhmei
und wurde Zeuge, als Kta seine Arme hob und die Hüter von Elas um ihren Segen anflehte.
»Geister meiner Ahnen«, beendete er sein Gebet, »Geister von Elas, Geist meines Vaters, das Schicksal hat mich in die Ferne entführt, und das Schicksal hat mich wieder in die Heimat gebracht. Mein Vater, meine Mutter, meine Freunde im Reich der Schatten, noch ist kein Friede in Elas. Helft mir, ihn zu finden. Empfangt uns in unserem Haus und heißt uns willkommen und ertragt auch die Anwesenheit von Lhe t'Nethim u Kma, der an unserer Tür sitzt. Schatten Mims, einer der deinen ist gekommen.«
Ein paar Sekunden lang blieb er reglos stehen mit erhobenen Armen, die offenen Handflächen dem neu entfachten Feuer zugewandt, dann ließ er die Arme sinken und blickte Kurt an. »Ich fühle mich besser«, sagte er ruhig. »Aber es liegt eine Schwere in der Luft, etwas Drückendes. Spürst du es auch, Kurt?«
Kurt erschauderte, und der menschliche Teil von ihm analysierte, daß es vielleicht Zugluft war, die die Wärme des Feuers in ihre Richtung wehte.
Aber plötzlich wußte er, was Kta meinte. Ein Feind des Hauses saß auf seiner Schwelle, Sproß einer Familie, mit der schon die Ahnen verfeindet waren. Unruhe lag in der Luft, hockte in den dunklen Ecken des
rhmei
. t'Nethim war da. t'Nethim wartete in einer Stadt, in die er nicht hätte kommen dürfen, in einem Haus, das seinen Feinden gehörte.
Ein Stück der
yhia
war aus dem Gleichgewicht geraten – wartend...
Wir wollen ihn bitten, in einem anderen Haus zu warten, hätte Kurt beinahe vorgeschlagen, aber es war ihm dann doch zu peinlich. Außerdem war er es, an den sich t'Nethim gehängt hatte, dem er an den Fersen klebte.
Jemand hämmerte an die Tür. Sie liefen in die Eingangshalle, nahmen ihre Waffen auf, die sie vor Betreten des
rhmei
abgelegt hatten, und nickten Lhe t'Nethim zu, als der sie fragend ansah. Lhe schob den Riegel zurück und öffnete die Tür.
Ein Mann und eine Frau standen davor: Aimu und Bel t'Osanef.
Aimu verschränkte die Arme vor ihrer Brust und verneigte sich. Kta erwiderte den Gruß. Als sie sich wieder aufrichtete, flossen Tränen über ihre Wangen.
»Aimu«, sagte Kta, »Bel. Seid willkommen.«
»Bin ich wirklich willkommen?« sagte Aimu.
»Mein Bruder, ich habe den ganzen Nachmittag auf dich gewartet, aber du bist nicht nach Irain gekommen.«
»Aber, Aimu – du warst mein erster Gedanke, als ich nach Nephane kam. Wie könnte es auch anders sein, meine Schwester? Du bist doch alles, was Kurt und mir geblieben ist. Wie kannst du nur denken, daß ich mich nicht um dich kümmern würde?«
Aimu sah ihm ins Gesicht, ihre Tränen versiegten, und ein bedrückter, fast angstvoller Ausdruck trat in ihr Gesicht, als ob sie in Kta etwas entdeckte, vor dem sie sich gefürchtet hatte. »Lieber Bruder«, sagte sie, »es ist keine Frau in diesem Haus. Nimm uns als deine Gäste auf, und ich werde aus
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