Hanan 2 - Weltenjäger
beachteten sein Toben nicht, schoben ihn mit einem Minimum an Anstrengung auf einen fahrbaren Tisch und machten ihn bewegungsunfähig. Von da an war sein Wahrnehmungsvermögen immer stärker beeinträchtigt. Er war bei Bewußtsein, aber er konnte nicht sagen, was er sah oder hörte, und schließlich verlor er ganz die Besinnung.
2
Die Betäubung ging ebenso zögernd in den Wachzustand über. Aiela wurde sich der Grenzen seines Körpers bewußt, fühlte einen Schmerz im Gaumen und hinter den Augäpfeln. Er hatte einen bitteren, chemischen Geschmack im Mund, seine Stirn juckte. Er konnte die Hand nicht heben, um sich zu kratzen. Das Jucken griff auf seine Nase über und bereitete ihm Qualen. Als er Grimassen schnitt, um es zu mildern, schmerzte ihn der Kopf von der Anstrengung.
Er schlief wieder ein, wurde ein zweitesmal gerade wach genug, um eine Bewegung zu versuchen und erinnerte sich an das Armband, das eigentlich an seinem Handgelenk sitzen mußte. Da war nichts. Er hob die Hand – sie war jetzt frei – und sah die Zahlen, die immer noch eingestempelt, aber nun verblaßt waren. Sein Kopf tat weh. Er berührte seine Schläfe und fühlte eine dünne, rauhe Naht. Im Mund, hinten am Gaumen, schmeckte er salziges Blut, seine Kehle war wund. Er betastete den Einschnitt an seiner Schläfe in seiner ganzen Länge, und eiskalte Panik durchströmte ihn.
Er haßte sie. Er konnte also immer noch hassen, aber die Anstrengung ermüdete ihn – selbst die Angst ermüdete ihn. Er weinte. Dicke Tränen rollten ihm aus den Augen, und dann überkam ihn wieder die Schwäche. Drogen, dachte er verschwommen. Er schloß die Augen.
Das Gefühl des Wundseins hielt an, es war jedoch nicht körperlich, sondern geistig, eine Empfindung, ein Teil von ihm, der keine Ruhe fand, wie ein inneres Auge, das nicht blinzeln konnte. Es brannte wie ein weißes Licht am Rand seines Bewußtseins, ein verschwommenes Bild, auf dem sich Schatten und Farben unbestimmt bewegten. Dann wußte er, was sie ihm angetan hatten, obwohl er es nicht benennen konnte.
»Nein!« schrie er immer wieder, bis seine Stimme versagte. Niemand kam. Wieder schwanden ihm die Sinne.
Als er zum drittenmal erwachte, fühlte er sich kräftiger, sein Atem ging normal, und er erkannte seine Umgebung. Die wunde Stelle war immer noch da; wenn er sich damit beschäftigte, wurde sie größer und deutlicher, zwang er sich aber, an etwas anderes zu denken, an die Farbe der Wand, an irgend etwas, sich zu bewegen, so schrumpfte sie zu einer Erinnerung, zur Einbildung, da sei noch jemand Er konnte es also kontrollieren. Was man auch mit seinem Gehirn angestellt hatte, er konnte sich erinnern, er wußte noch, wer er war. Nervös untersuchte er die Stelle, wie man einen wehen Zahn prüft; die Reaktionen waren vorhersehbar, sie wuchs und wurde wieder kleiner. Da war auch Tiefe, eine Leere, die an seinen Gefühlen zerrte. Er riß seine Gedanken davon los, kroch aus dem Bett, stützte sich auf einen Stuhl und bemühte sich, einen klaren Kopf zu bekommen.
Der Raum wirkte wie eine behagliche Hotelsuite, ganz in Blau gehalten, im Hintergrund der erleuchtete, weiße Durchgang zu einem gefliesten Badezimmer – wirklich luxuriös für ein Raumschiff. Sein schäbiger Dienstkoffer lag auf dem Schreibtisch. Auf einer Bank neben dem Bett war beigefarbene Kleidung ausgebreitet.
Sein erstes Ziel war der Koffer. Er stützte sich auf den Schreibtisch und öffnete ihn. Alles war vorhanden, außer der Pistole. An ihrer Stelle lag eine kleine Karte:
Wir bedauern, ohne Sondererlaubnis keine persönliche Waffe zulassen zu können. Sie wird aufbewahrt. Für die Rückforderung Ihres Eigentums zu einem späteren Zeitpunkt bitten wir Sie, diese Karte aufzubewahren. 509-3899-545.
Er las das einige Male, unempfindlich für den grausamen Humor, den diese Notiz für sein Gefühl enthielt. Er rieb sich die verschleierten Augen und begann, am Schreibtisch lehnend, gedankenlos auszupacken, zuerst mit einer, dann mit beiden Händen. Dorthin kamen seine geliebten Bilder, gegenüber dem Stuhl, den er vermutlich bevorzugt benutzen würde. Er räumte Dinge in Schubladen, ordnete Kleidung, machte all die vertrauten Bewegungen, die er schon an hundert fremden Orten gemacht hatte, in den Jahren auf kleinen Außenposten, auf Felsenwelten – das beschäftigte seinen Geist und hielt die schaurige Wirklichkeit fern. Er war am Leben. Er konnte sich erinnern. Er konnte seine Lage verabscheuen. Und dieser Ort, dieser Raum war
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