Hand aufs Glück: Mittsommerherzen (German Edition)
hätte, ihr Studium zu finanzieren. Es waren zwar keine hohen Summen gewesen – nichtsdestotrotz hatten sie zu dem Fiasko beigetragen. Und als sie wegen Daniel in Schwierigkeiten steckte, hatte Sigmund ihr ebenfalls bereitwillig aus der Klemme geholfen. Ohne ihn wäre ihr damals wohl keine andere Wahl geblieben, als in die Privatinsolvenz zu gehen.
Sigmund hatte sie gerettet – und sich dabei selbst so tief in die Schuldenfalle manövriert, dass es nun kaum einen Ausweg zu geben schien.
Sabrina atmete tief durch, dann beschloss sie, eine Pause einzulegen. Im Moment war sie einfach nicht in der Lage, klar zu denken. Und solange ihr Kopf nicht frei war, machte es wenig Sinn, sich weiter mit so komplizierten Dingen wie einer Bilanzprüfung zu befassen. Sie nahm ihre Jacke vom Garderobenhaken. Ein Spaziergang würde ihr hoffentlich dabei helfen, auf andere Gedanken zu kommen. Doch als sie zur Tür hinaustrat, musste sie erkennen, dass das Schicksal offensichtlich andere Pläne für sie hatte.
Stirnrunzelnd musterte sie den Mann, der draußen auf dem Treppenabsatz stand und auf jemanden zu warten schien. Er war ungefähr im Alter ihres Vaters, doch während Sigmund schlank und sportlich wirkte, spannte sich das Hemd dieses Mannes über einem voluminösen Bauch. Er trug einen altmodischen Filzhut, und eine Wolke kalten Zigarettenrauchs umschwebte ihn.
Jetzt lächelte er scheu. „G
od afton, Fröken“
, sagte er. „Mein Name ist Jensson, Anton Jensson. Sie sind die kleine Sabrina,
rätt
? Mensch, Sie haben sich ganz schön verändert, seit ich Sie zum letzten Mal gesehen habe!“
Sabrina konnte sich nicht daran erinnern, Jensson je zuvor begegnet zu sein, doch sie zwang sich zu einem Lächeln. „Nun, es ist nett, dass Sie mich besuchen, aber ich wollte gerade gehen. Tut mir wirklich sehr leid …“
„Oh, ich will Sie auch gar nicht lange belästigen. Es geht bloß um das Geld, das Sigmund mir schuldet.“ Er nahm seinen Hut ab und knetete ihn verlegen mit beiden Händen. „Ich weiß, es ist ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, jetzt, wo Sigmund im Krankenhaus liegt, aber … Nun, Sie müssen mich auch verstehen. Ich habe eine Frau und zwei kleine Kinder, und …“ Er seufzte. „Ich kann es mir einfach nicht leisten, noch länger auf das Geld für meine letzte Lieferung Lacke und Farben zu warten.“
Sabrina schluckte. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Was sollte sie dem Mann jetzt sagen? Das Barvermögen von
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war kaum der Rede wert. In den nächsten zwei Tagen erwartete sie den Ausgleich einiger offener Forderungen, doch davon mussten zunächst die Löhne der Angestellten gezahlt werden. Wie sie es auch drehte und wendete, es war im Moment nicht eine Krone übrig, um laufende Verbindlichkeiten auszugleichen.
„Natürlich verstehe ich Sie“, sagte sie mit erzwungener Ruhe. „Und ich hoffe, dass Sie auch ein wenig Verständnis für mich aufbringen können. Ich bin gerade erst aus Deutschland zurückgekommen und konnte mir noch keinen genauen Überblick über die Finanzen der Firma verschaffen. Darf ich Sie daher vielleicht noch um ein kleines bisschen Geduld bitten?“
Jensson schien hin- und hergerissen, man konnte förmlich sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Schließlich jedoch nickte er. „Hol mich der Teufel“, stieß er hervor. „Meine Frau reißt mir wahrscheinlich den Kopf ab, wenn ich ohne das Geld heimkomme, aber wenn es nicht anders geht, dann geht es nun mal nicht anders.“ Er lächelte. „Ich komme einfach gegen Ende der Woche noch einmal vorbei, einverstanden?“
„Natürlich. Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis.“
Sabrina sah ihm nach, als er den Weg zur Ortschaft einschlug. Einerseits war sie erleichtert, auf der anderen Seite meldete sich ihr schlechtes Gewissen. Sie wusste, dass sie Jensson auch Ende der Woche nicht würde bezahlen können. Und im Gegensatz zu den Großlieferanten, mit deren Vertretern sie heute telefoniert hatte, war es für kleine Unternehmer wie Jensson eine Frage der Existenz, dass ihre Rechnungen pünktlich bezahlt wurden.
Wieder hatte sie nur etwas Zeit gewonnen. Retten konnte sie
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auf diesem Wege sicherlich nicht. Was sie wirklich benötigte, war eine Idee, um endlich wieder Geld in die leeren Kassen des Unternehmens zu bringen.
Aber wie sollte sie das bloß anstellen?
Nach einem herzhaften Frühstück am Morgen verbrachte Sabrina den nächsten Tag damit, einem Gedanken nachzugehen, der
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