Hand und Ring
geboten schien, andererseits war ihm aber der Umstand, daß Fräulein Dares Name mit in die Sache verwickelt wurde, im höchsten Grade unerwünscht. Es konnten daraus Schwierigkeiten entstehen, die jeden Freund des Rechtsanwalts Orkutt mit Besorgnis erfüllen mußten. Orkutt liebte das Fräulein; ihre Beziehung zu dem des Verbrechens verdächtigen Mann war für ihn eine bittere Enttäuschung, ein schwerer Schlag. Und Imogen Dare selbst? Sollte das stolze Mädchen, das bisher so erhaben dagestanden hatte über allem, was niedrig war und gemein, nun der Neugier und dem böswilligen Geschwätz der Menge preisgegeben und von ihrer Höhe herabgezogen werden in den Staub? – Das schien hart. Ferris brauchte Zeit, um zu überlegen, ob es wirklich die Pflicht von ihm fordere, einen Schritt zu tun, der solche Folgen nach sich ziehen mußte. Er hielt es daher für ratsam, die Detektivs einstweilen zu entlassen.
Am nächsten Tage ließ er jedoch Byrd und Hickory schon wieder zu sich rufen. Er hatte die Wahrscheinlichkeit von Hildreths oder Mansells Schuld ernstlich geprüft und jedes Für und Wider genau erwogen.
Wie Sie sich erinnern werden, Byrd, wandte er sich an den jungen Mann, hat die Witwe Klemmens in ihren letzten, bewußten Momenten einen Ausruf hören lassen, der dazu dienen konnte, den Mörder kenntlich zu machen. Sie rief: »Ring« und »Hand«, als wollte sie zu verstehen geben, daß die gegen sie erhobene Hand einen Ring getragen habe. Von dieser Ansicht ausgehend, machte ich gestern einen Versuch: ich stellte mich vor die große Wanduhrim Eßzimmer, wo die Witwe erschlagen wurde, und hieß meinen Schreiber ein Holzscheit mit beiden Händen umfassen, es hoch emporhalten und von hinten auf mich zukommen. Als er hierauf die Arme wie zum Schlage senkte, vermochte ich, ohne den Kopf zu wenden, mit einem schnellen Seitenblick den großen Siegelring zu erkennen, den ich ihm vorher an den kleinen Finger gesteckt hatte. Dies überzeugte mich vollends, daß der Ring ein wichtiges Glied in unserer Beweiskette gegen den Verbrecher sein muß. Nun wissen wir alle, daß Hildreth am Tage des Mords einen Ring getragen hat und ihn sogar vom Finger zog, als er fürchtete, daß man gegen ihn Verdacht schöpfen werde. Bei den Beweisen gegen Mansell ist dagegen von keinem Ring die Rede gewesen; das nimmt ihnen zwar nicht gerade ihre Glaubwürdigkeit, macht sie aber weit weniger belastend.
Haben Sie denn den Diamantring vergessen, den ich an jenem verhängnisvollen Morgen in Frau Klemmens' Eßzimmer aufhob? fragte Byrd mit innerem Widerstreben.
Nein, war die kurze Antwort. Aber Fräulein Dare hat ihn als ihr Eigentum bezeichnet, und die Richtigkeit dieser Behauptung ist noch nicht widerlegt. Bringen Sie Beweise bei, daß Mansell den Ring am Finger trug, als er am Tage des Mordes Frau Klemmens' Haus betrat – auch seine Anwesenheit dort beruht übrigens bis jetzt nur auf Vermutung; wenn Sie das können, will ich zugeben, daß der Verdacht gegen Mansell so stark ist, wie gegen Hildreth – sonst nicht.
So werden Sie ihn nicht verhaften lassen? fragte Byrd.
Ich sehe dazu noch keine Veranlassung. Er mag wohl den Wunsch gehegt haben, durch das Ableben seiner Tante in den Besitz ihres Vermögens zu gelangen, möglich sogar, daß er das Verbrechen wirklich geplant hat. Ob aber er es ausgeführt hat oder ein anderer, der ein ebenso starkes Interesse an dem Tod der Witwe hatte, ist durch Ihre Ermittelungen nicht bewiesen. Nur ganz überzeugende Gründe könnten mich – besonders jetzt, nach Hildreths Selbstmordversuch – dazu bewegen, gegen Mansell gerichtlich einzuschreiten. Einstweilen werden wir ihn insgeheim genau überwachen lassen und abwarten, ob Hildreth infolge der Anklageakte vor das Schwurgericht gestellt werden wird oder nicht.
Byrd, der seine eigenen guten Gründe hatte, nicht an Mansells Schuld zu zweifeln, war über diesen unerwarteten Beschluß des Bezirksanwalts einigermaßen betreten. Er fürchtete, Hickory werde es kaum über sich gewinnen, unter solchen Umständen die Zusammenkunft in der Waldhütte geheimzuhalten, obgleich er sein Wort gegeben.
In diesem Augenblick ward Herrn Ferris ein Brief überbracht, der seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm, so daß die beiden Detektivs Zeit fanden, ihre beiderseitige Meinung auszutauschen.
Nun, Hickory, fragte Byrd, was halten Sie denn von dem Einwurf?
Er scheint mir nicht unberechtigt, lautete die Antwort. Ich habe mich in Buffalo besonders danach erkundigt, ob Mansell
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