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Hand und Ring

Titel: Hand und Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kathrine Green
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sprach, sah er, daß er das Rechte getroffen. Dies war es, was sie gefürchtet und erwartet hatte, dies die Ursache all ihres Kummers und Entsetzens. Aber kein Wort entfuhr ihren Lippen, keine Bewegung tat kund, daß der kalte Stahl sie mitten ins Herz getroffen.
    Zum erstenmal überwältigte ihn rasende Eifersucht.
    Ha, das war es, wonach Sie gesucht haben! rief er mit erstickter Stimme. Sie kennen den Menschen – haben ihn vielleicht schon gekannt, ehe Frau Klemmens ermordet wurde – ihn gekannt und geliebt?
    Sie gab keine Antwort.
    Er rang nach Fassung und schlug sich mit der Faust vor die Stirn. Reden Sie! rief er, kennen Sie Valerian Hildreth oder nicht?
    Valerian Hildreth? Wie ein Schrei der Ueberraschung entfuhr es ihrem Munde, wie ein angstvoller Klagelaut. Orkutt war starr vor Bestürzung. Ist er es, der Hand an sich gelegt, sich das Leben genommen hat? rief sie in wildem Grauen.
    Wer sollte es sonst sein? – Orkutts Lachen klang entsetzlich. – Welcher andere Mensch ist jenes Mordes angeklagt? Sie sind von Sinnen, Imogen, und wissen nicht, was Sie reden.
    Den Kopf gegen die hohe Lehne des Stuhls gepreßt, an dem sie gestanden, verbarg sie das Gesicht in den gefalteten Händen. Auch der Mann neben ihr focht einen furchtbaren Seelenkampf durch.
    Wann ist es geschehen? stöhnte sie, ohne das Haupt zu erheben. Sagen Sie mir alles!
    Der Rechtsanwalt lächelte voll Hohn und Bitterkeit, dann sprach er erbarmungslos:
    Er hat schon seit einigen Tagen versucht, sich umzubringen. Seine Gefangennahme und die Aussicht, vor Gericht gestellt zu werden, haben ihn fast um den Verstand gebracht. Da er sich weder eine Schußwaffe, noch Gift, noch einen Strick verschaffen konnte, zerbrach er letzte Nacht eine Fensterscheibe und –
    Er sprach nicht weiter. Die Todesangst in ihren Mienen war entsetzlich. Wie ein Medusenblick traf ihn ihr Auge.Schaudernd sah er, wie ihr starrer Mund sich öffnete: Ist er tot? hauchten ihre Lippen.
    Noch bis vor einem Jahr war Orkutt frei gewesen von der Herrschaft leidenschaftlicher Gefühle. Erfolg in seinem Beruf, die Bewunderung der Menge, eine angesehene gesellschaftliche Stellung, das war das Ziel seines Strebens. Jetzt hatte ihn die Leidenschaft mit sinnbetörender Gewalt ergriffen; er fühlte sich machtlos und unfähig zu widerstehen. Bei der Angst in Imogens Blick, die einem andern Manne galt als ihm, bei der Frage auf ihren bebenden Lippen, welche die seinigen noch nie berührt hatten, ward sein Inneres von heißen Qualen durchwühlt. Er hätte die Fragen bejahen mögen vor grimmer Eifersucht, hätte das Mädchen mit einem einzigen Wort besinnungslos zu Boden strecken können, aber er bezwang die grausame Lust.
    Er hat sich nur schwer verletzt, sagte er, ihrem Blick ausweichend, und der Arzt meint, daß er mit dem Leben davonkommt.
    Ein tiefer Seufzer erleichterte ihre gequälte Brust. Gott sei Dank! stöhnte sie; dann blieb alles still.
    Er sah nach ihr hin; aus ihren Mienen sprach verzweifelte Entschlossenheit. Imogen, rief er, was werden Sie tun? Was haben Sie vor?
    Fragen Sie nicht! entgegnete sie, was ich tun will, dürfen Worte nicht aussprechen. Aber an Ihnen ist es, Sorge zu tragen, daß Valerian Hildreth aus dem Gefängnis entlassen wird. Er ist unschuldig – beherzigen Sie es wohl! Er hat das Verbrechen, dessen man ihn zeiht, nicht begangen; nur aus Scham und Zorn über den falschen Verdacht hat er Hand an sich gelegt. Stirbt er im Gefängnis, so ist ein Mord an ihm verübt worden – hören Sie, ein Mord! Und er wird sterben in Schmach und Verzweiflung, wenn man ihn nicht freigibt, das weiß ich gewiß.
    Aber Imogen –
    Wenden Sie mir nicht ein, daß erst die gerichtliche Untersuchung erfolgen muß, die seine Unschuld ans Licht bringt. Es handelt sich hier um Leben und Tod. Sie als Advokat können Mittel und Wege ausfindig machen, seine einstweilige Freilassung zu bewirken. Gebrauchen Sie Ihren Scharfsinn, wenden Sie Ihren ganzen Einfluß bei den Behörden auf – wenn Sie das tun, so will ich –; dabei warf sie ihm einen langen, bedeutungsvollen Blick zu.
    Sie wollen – rief er, was?
    Ihnen gewähren, was Sie verlangen, sagte sie mit matter Stimme.
    Wollen Sie mein Weib werden? fragte er in freudiger Aufwallung.
    Ja – wenn ich nicht zuvor tot bin, stieß sie mühsam heraus.
    Er umfing sie mit den Armen und drückte sie voll Entzücken an seine Brust. Sie sollen nicht sterben, rief er. Sie sollen leben und glücklich sein. Werden Sie noch heute die Meine!
    Nicht

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