Hand von Thrawn 01 - Schatten der Vergangenheit
sich kümmern mußte, Angelegenheiten, die einen klaren Kopf erforderten. Außerdem würde Pellaeon, sofern alles nach Plan verlief, schon bald aufs Abstellgleis geschoben werden. Er schwang seinen Sessel halb herum und blickte zu Major Tierce auf. »Interessante Unterhaltung, finden Sie nicht auch, Major?« erkundigte er sich sanft. »Schildern Sie mir Ihre Eindrücke.«
Tierce löste mit sichtlichem Kraftaufwand den Blick von der Tür, durch die Pellaeon soeben hinausgegangen war. »Es tut mir leid, Euer Exzellenz, aber ich weiß es wirklich nicht«, sagte er. Die Demut eines Mannes, der sich seiner Grenzen bewußt ist, hatte seine Schultern leicht gebeugt, seine Miene verriet Aufrichtigkeit und Einfalt. »Ich bin bloß ein Flottenadjutant; ich verstehe nicht viel von diesen politischen Dingen.«
Ein außergewöhnlich überzeugendes Beispiel schauspielerischer Begabung, mußte Disra zugeben, einer Begabung, die während der zurückliegenden fünfzehn Jahre offenbar Dutzende ziviler und militärischer Führer an der Nase herumgeführt hatte, darunter auch ihn selbst. Doch inzwischen wußte er es besser… und die Vorstellung sollte im nächsten Augenblick ein abruptes Ende nehmen. »Ich verstehe«, sagte Disra. »Dann lassen Sie die Politik außer acht und geben Sie mir die militärische Einschätzung eines militärischen Offiziers. Sie haben meinen Vorschlag gehört, wie das Imperium dieser Kapitulation, die der Admiral so dringend zu wünschen scheint, entgehen könnte. Kommentare?«
»Nun, Euer Exzellenz, Admiral Pellaeon ist der Oberkommandierende«, erwiderte Tierce widerstrebend. Der phlegmatische Ausdruck lag noch immer auf seinem Gesicht, doch Disra konnte sehen, wie die Haut um seine Augen sich andeutungsweise zusammenzog. Hegte er einen Verdacht, daß Disra Bescheid wußte? Wahrscheinlich nicht. Und es hätte auch keinen Unterschied gemacht. »Man sollte meinen, daß er am besten über unsere strategische Lage unterrichtet ist«, fuhr Tierce fort. »Noch einmal, ich fürchte, auch meine Kenntnisse hinsichtlich großer strategischer Konzepte sind sehr beschränkt.«
»Ah.« Disra schüttelte den Kopf und langte an die Seite des Schreibtischs, um den persönlich kodierten Schalter zu betätigen. Es klickte, und die verborgene Schublade, die in die Unterseite der Schreibfläche eingelassen war, glitt auf. »Sie enttäuschen mich, Major«, sagte er, während seine Finger das halbe Dutzend Datenkarten darin durchwühlten; seine Augen ruhten unentwegt auf Tierces Gesicht. »Ich hatte angenommen, der Imperator würde ausschließlich auf die besten Männer setzen.«
Diesmal war kein Irrtum möglich: Tierces Augen verengten sich. Aber er war noch nicht bereit, die Charade aufzugeben. »Der Imperator, Euer Exzellenz?« fragte er und zwinkerte verwundert.
»Ausschließlich die besten Männer«, wiederholte Disra, wählte eine der Datenkarten aus und hielt sie in die Höhe, so daß Tierce sie in Augenschein nehmen konnte, »um sie für seine Imperiale Ehrengarde zu verpflichten.«
Disra hatte erwartet, der andere würde mit einem Ausbruch von Überraschung oder Verwunderung aus seinem schauspielerischen Repertoire aufwarten, aber Tierce stand einfach nur da; sein Blick war unentwegt auf Disras zwillingsgleiche Turbolaser-Batterien gerichtet. Disra hielt dem Blick stand und kämpfte einen leichten stechenden Zweifel nieder. Wenn er sich verrechnet hatte – oder wenn Tierce zu dem Schluß kam, daß der Fortbestand seiner Anonymität die Ermordung eines imperialen Mufti rechtfertigte…
Tierce atmete leise aus. Es klang wie das Zischen einer Giftschlange. »Ich nehme an, es hat keinen Zweck, in lautes Protestgeschrei auszubrechen, nicht wahr?« sagte er dann. Er richtete sich aus seiner gewöhnlichen gebeugten Haltung zu seiner vollen Größe auf…
… und Disra ertappte sich dabei, wie er sich unwillkürlich gegen die Rückenlehne seines Sessels preßte. Der zurückhaltende und nur mäßig begabte Major Tierce, der ihm acht Monate lang als militärischer Adjutant gedient hatte, war plötzlich verschwunden.
Und an seiner Stelle stand ein Krieger.
Disra hatte einmal jemanden sagen hören, daß ein aufmerksamer Beobachter einen Sturmtruppler oder Imperialen Gardisten jederzeit erkennen würde, ob dieser nun in voller Rüstung vor ihm stand oder entblößt auf dem Sterbebett lag. Er hatte diese Dinge stets als kindische Mythen abgetan. Doch diesen Fehler würde er niemals mehr wiederholen.
»Wie haben Sie mich
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