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Handbuch für anständige Mädchen

Handbuch für anständige Mädchen

Titel: Handbuch für anständige Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elaine Di Rollo
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und Hecken weit unter sich. Sie verspürte keine Angst, lediglich Heiterkeit. Keine Panik, bloß ein prickelndes Gefühl im Bauch. Lachend strampelte sie vor Wonne mit den Füßen.
    Bald schon rückte Sodgers Hill beträchtlich näher. Alice musterte hoffnungsvoll die Hebelreihe vor sich. Welcher Schalter würde ihr beim Abstieg helfen? Sie erinnerte sich nicht. Nochmals blickte sie hinaus auf die Weißdornhecken, die Dickichte aus Stech- und Besenginster. Eine Kuh starrte niedergeschlagen empor, als Alice am Himmel entlangtrieb. War der Boden näher gekommen? Vielleicht ein wenig. Sie griff nach einem der Hebel. Mr Bellows hatte sie gebeten, achtzugeben und ihm Bericht zu erstatten, ihr Vater hätte nichts anderes von ihr erwartet. Sie sah auf die Flügel und bemerkte, wie sich eine Klappe zur Hälfte aufrichtete, als sie zog. Die Maschine sank jäh auf die Bäume zu. Alice zerrte an einem anderen Hebel. Die Maschine fing sich wieder, sobald eine andere Klappe an der Unterseite des Flügels aufging. Bei einem dritten Hebel hatte sie den Eindruck, an Höhe zu gewinnen, ein weiterer zeigte überhaupt keine spürbare Wirkung.
    Die Weide, die zum Sodgers Hill hinaufführte, kam in Sicht, jenseits der Eichen am Ende des Parks. Mittlerweile war Alice ganz deutlich am Sinken. Hatte Mr Bellows ihr konkrete Anweisungen für die Landung gegeben? Sie war sich sicher, dass er es getan hatte, konnte sich allerdings nicht daran erinnern. Außerdem war es jetzt zu spät, da der Boden schneller auf sie zugerast kam, als sie denken konnte. Sie griff nach dem einen Hebel, den sie noch nicht ausprobiert hatte … die Maschine machte einen Ruck und erbebte. Alice wurde gewaltsam in ihrem engen Sitz hin- und hergerissen, als die Räder den Boden berührten. Dann raste sie durch Weidenröschen und Kreuzkraut, knallte schmerzhaft gegen die Seitenwände der Flugmaschine, sodass ihr die Zähne im Kopf klapperten und sie das Gefühl hatte, ihr Hals müsse entzweischnappen und ihre Arme wie Zweige brechen. Selbst wenn Alice den Baumstamm gesehen hätte, der direkt auf sie zukam, hätte sie nichts tun können. Sie spürte lediglich den heftigen Stoß, als die Räder dagegen knallten, dann wurde sie nach vorn geschleudert, gegen den Rand der Verschalung und ins Nichts.
     
    Mr Blake beobachtete, wie die Flugmaschine Alice über den Park trug. Hinter ihm kreischte und gackerte Mr Bellows vor Freude. »Ich wusste, dass es funktionieren würde!«, rief er. »Meine Kalkulationen waren perfekt. Sie sollte im Nu bei Sluce sein.«
    »Sluce ist nicht dort!«, schrie Mr Blake. »Ich habe ihn gerade eben im Haus gesehen. Er sagte, er habe gedacht, das Ganze fände morgen statt.«
    »Mein Arm«, wimmerte Mr Bellows.
    »Miss Talbot könnte sich mehr als das brechen, dank Ihnen«, fuhr Mr Blake ihn an. Er griff nach einem Fetzen des vulkanisierten Gummiriemens, der neben Mr Bellows’ Werkzeugkasten lag, und formte eine Schlinge daraus. »Stützen Sie Ihren Arm auf diese Weise. Ich werde mich darum kümmern, sobald ich wieder da bin.«
    »Wohin gehen Sie?«
    »Miss Talbot suchen natürlich.«
    »Aber was ist mit mir?«
    »Ich werde Ihnen Sluce zu Hilfe schicken. Hoffen Sie nur, dass er nicht glaubt, ich meine morgen, sonst werden Sie die ganze Nacht hier oben verbringen.«
     
    Mr Blake brach unverzüglich zum Sodgers Hill auf. Der Wind hatte seine Richtung nicht geändert, und der letzte Blick, den der Fotograf auf die Flugmaschine erhascht hatte, hatte ihm gezeigt, dass sie exakt den von Mr Bellows anvisierten Kurs hielt. Sollte er die Straße nehmen oder sollte er den Weg quer durch den Park einschlagen, der kürzer zu sein schien? Er entschied sich für Letzteres. Bald schon stellte sich allerdings heraus, dass dies ein Fehler war. Das Waldgelände war uneben, der Boden mit Nesseln und Dorngestrüpp bedeckt, die ihn in die Hände stachen und an seiner Kleidung zerrten, und die Bäume beeinträchtigten seinen Orientierungssinn. Sich selbst und seine eigene Torheit verfluchend, machte er kehrt. Er kletterte über einen Zaun und versank bis zu den Knien in dickem, braunem Morast. Er rutschte auf Kuhfladen aus, zerrte sich den Knöchel an einem Maulwurfshügel und verknackste ihn bei jedem weiteren unebenen Stück Erde auf seinem Weg. Doch endlich, außer Atem und verschwitzt, die Kleidung schlammbedeckt und voller Grasflecken, die Stiefel voller Matsch und Wasser, wankte er auf die Weide, auf der Mr Bellows’ Flugmaschine gelandet war. Er erblickte sie an

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