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Handbuch für anständige Mädchen

Handbuch für anständige Mädchen

Titel: Handbuch für anständige Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elaine Di Rollo
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dem Hang, der zum Sodgers Hill hinaufführte. Sie schien zu einer Seite geneigt zu sein. Von Alice fehlte jede Spur.
    »Miss Talbot?«, stieß er keuchend hervor, während er auf sie zurannte. »Alice?«
    Da sah er, dass sie sich noch in der Maschine befand. Ihr Kopf war nach vorn geneigt, und Blut war unter dem Kochtopf hervorgesickert und in einer schwarzen, klebrigen Ansammlung an ihrer Schläfe getrocknet. Er drückte die Finger an ihren Hals. Der Puls war stark. Bei seiner Berührung regte sie sich ein wenig und murmelte etwas Undeutliches.
    Alices Kopf fiel schlaff gegen Mr Blakes Hand. »Sie ist tot«, murmelte sie. »Oh, Lily, sie ist tot.«
    »Niemand ist tot, Miss Talbot«, sagte Mr Blake in einem Tonfall lebensbejahender Munterkeit, wie er hoffte. Auf einmal fiel ihm das Fläschchen mit Ammoniaksalz ein, das er gewohnheitsmäßig in seiner Tasche aufbewahrte, wenn die Dämpfe in dem Dunkelzelt ihn gänzlich zu überwältigen drohten. Nach einem kräftigenden Schnuppern, um selbst einen klaren Kopf zu bekommen, wedelte er mit der offenen Flasche unter Alices Nase herum.
    Alice machte eine ruckartige Bewegung mit dem Kopf. »Oh!«, rief sie und hielt sich die Hand an die Nase. Sie blinzelte, und in ihren Augen spiegelten sich Schock und Überraschung. Dann runzelte sie vor Schmerzen die Stirn. »Mein Kopf.«
    »Sie haben ihn sich am Rand der Maschine angeschlagen. Was hat Sie nur geritten, solch eine Reise anzutreten?« Behutsam entfernte Mr Blake den Schal und den provisorischen Helm. »Ist es besser so?«
    Alice wandte sich ihm langsam zu und sah ihn an. »Ich sehe Sie zweimal. Zwei Mr Blakes.«
    »Geben Sie mir die Hand. Schaffen Sie es, herauszuklettern?«
    »Ich glaube schon.«
    Während sich Alice mühsam aus dem beengten Gefängnis der Flugmaschine befreite, fiel Mr Blake jäh ein, dass er in solcher Eile aus dem Großen Haus gestürzt war, dass er es versäumt hatte, jemanden außer Mr Bellows davon in Kenntnis zu setzen, wohin er unterwegs war. Wie er Alice zurückbringen sollte, falls sie nicht in der Lage sein sollte zu gehen, war ihm schleierhaft. Sie hatte die Maschine halb verlassen, wie ein Insekt, das aus einer Puppe hervor kroch, als sie unvermittelt zur Seite sackte.
    »Mein Kopf«, murmelte sie. »Sie werden mir helfen müssen.« Sie streckte die Hand nach ihm aus. Doch ihr Gleichgewichtssinn hatte sie im Stich gelassen. Ihre bauschigen Röcke hoben sich im Wind, stülpten sich beinahe um wie ein gewaltiger Regenschirm. Er erhaschte einen Blick auf lange weiße Beine, ein Aufblitzen unverwüstlicher Baumwollunterwäsche, dann lagen sie beide der Länge nach nebeneinander im Gras.
    »Ich bitte um Verzeihung«, sagte Mr Blake.
    Alice setzte sich auf und hielt sich den Kopf mit den Händen. »Habe ich den Hügel erreicht?«, fragte sie schließlich.
    »Das haben Sie.«
    »Wie lang bin ich bewusstlos gewesen?«
    »Vielleicht ein paar Minuten. Sie kamen gerade wieder zu sich, noch bevor ich Ihnen die Salze verabreichen konnte.« Der Fotograf sprach nun in zuversichtlichem Tonfall. »Darf ich noch einmal Ihren Puls fühlen?«, fragte er und griff nach ihrem Handgelenk. Er starrte auf seine Armbanduhr, schaffte es allerdings kaum, sich zu konzentrieren. Vor seinem geistigen Auge sah er ihre Beine aufblitzen, spürte ihre Körperwärme, als sie aus der Flugmaschine in seine Arme stürzte. Ihm war auch aufgefallen, dass das Oberteil ihres Kleides an der Schulter eingerissen war, sodass ein großes Dreieck weißen Fleisches zu sehen war. Sein Blick richtete sich begierig darauf. Neben dem dunklen Stoff schien ihre Haut zu strahlen. Sie würde sich unter seinen Fingern seidig anfühlen, das wusste er. Oder unter seinen Lippen. Er riss seinen Blick los. »Warum haben Sie es getan?«
    »Man muss doch leben«, sagte Alice. »Im Haus meines Vaters bietet sich nur selten die Gelegenheit zu einem Freudenrausch. Jetzt hat sich die Gelegenheit angeboten, also habe ich sie ergriffen.« Sie lächelte. »Es war spektakulär.«
    Mr Blakes Herz klopfte, in seinem Magen kribbelte es. War es möglich, dass ihm die Mischung aus Verlangen und Bewunderung, die ihn in diesem Augenblick ergriff wie eine Ohnmacht, die Besinnung rauben würde? Wäre es unmännlich, noch einmal prophylaktisch an seinen eigenen Riechsalzen zu schnuppern?
    »Sie hätten umkommen können.«
    »Das hätte passieren können. Ist es aber nicht. Außerdem sind Sie ja zu meiner Rettung geeilt.«
    »Wohl kaum.« Neckte sie ihn? Es war ihm

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