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Handbuch für anständige Mädchen

Handbuch für anständige Mädchen

Titel: Handbuch für anständige Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elaine Di Rollo
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den Niembaum hinter einer zu Boden donnernden Wasserflut verschwimmen. Den restlichen Morgen saßen Lilian und Selwyn auf der Veranda und beobachteten das tintenschwarze Wasser, das vom Himmel fiel. Es verursachte einen ohrenbetäubenden Lärm, wie es auf das Dach trommelte, und machte jedes Gespräch, oder was bei ihnen als Gespräch durchging, unmöglich. Selwyn verweigerte das Mittagessen und beklagte sich über die Luftfeuchtigkeit. Er zog sich in sein Arbeitszimmer zurück.
    Lilian blieb draußen auf der Veranda und verfasste sorgfältig einen Brief an Alice. Sie hatte keine Ahnung, ob er sie je erreichen würde, doch sie wusste, dass sie etwas versuchen musste. Die mangelnde Kommunikation von Seiten Alices beunruhigte sie immer mehr (und dass ihr Vater bei der Überwachung der ihm verbliebenen Tochter nicht nachließ, überraschte sie). In letzter Zeit wurden diese Gefühle jedoch von bösen Vorahnungen überschattet. Vielleicht war etwas passiert? Vielleicht war Alice eingesperrt oder fortgeschickt worden? Vielleicht war sie krank oder lag im Sterben? Obwohl Lilian sich weigerte, solchen Schauerbildern nachzugeben, kam sie nicht gegen die Sorge an. Das Schweigen, die Trennung, wurden allmählich unerträglich. Alice ging es genauso, das wusste sie.
    Es dauerte über eine Stunde, bis sie den chiffrierten Brief geschrieben hatte. Sie ging ihn immer wieder durch, bis er so verbindlich und unschuldig wie möglich klang, die verborgene Nachricht kurz, aber treffend. Nach einer so langen Zeit im Freien schien das Papier die Luftfeuchtigkeit wie Löschpapier aufgesogen zu haben, sodass die Wörter aussahen, als seien sie mit schwarzer Wolle auf die Seite gestickt worden. Doch ihr blieb keine Zeit, noch einen Brief zu schreiben, wenn sie ihn unentdeckt in Selwyns Postsack schmuggeln wollte. Nachträglich steckte sie noch die Fotografie, die Captain Forbes geschossen hatte, in den Umschlag.
    Anschließend holte sie ihr Skizzenbuch hervor, blätterte darin herum und besah sich ihre Zeichnungen. Sie hatte auf Mr Hunters Warnungen bezüglich Schimmel und weißer Ameisen gehört und alle ihre fertigen Bilder vor drei Wochen in der Hoffnung verschickt, dass sie Indien vor Einsetzen der Regenfälle verlassen hätten. Statt sie jedoch, wie ursprünglich geplant, Alice zu schicken, hatte sie das wenige Geld, das sie selbst besaß, darauf verwandt, sie nach Kew zu schicken.
    Gegen Abend hörte der Regen auf, obgleich die grimmige Schwärze der Wolken deutlich erkennen ließ, dass es sich lediglich um eine Unterbrechung handelte. Lilian fand Selwyn schlafend in seinem Arbeitszimmer vor. Als sie ihn weckte, war er gereizt.
    »Was ist los, Weib? Siehst du denn nicht, dass ich schlafe? Und nein, ich will nichts zu essen. Aus der Feldküche kommt sowieso nichts Genießbares.« Er schloss wieder die Augen und schluckte mühsam, wobei er sich das Genick massierte. »Mein Hals tut weh, und ich habe starke Kopfschmerzen. Lass mich einfach in Ruhe – es sei denn, du möchtest mir sagen, dass du eine Scheibe getoasteten Cheddar auf warmem soda bread für mich hast. Nein? Tja, dann geh zurück zu deinen Kritzeleien und deinem Geschmiere und mach die Tür hinter dir zu. Und schlag sie bloß nicht zu – schon der Klang deiner Stimme geht mir auf die Nerven.«
    Als Lilian später gefragt wurde, vermochte sie nicht zu sagen, ob ihr Gatte an dem Abend gereizter als sonst gewesen war. Dass er sich über Kopfweh und Halsschmerzen beklagt hatte, war ebenfalls nichts Ungewöhnliches. Ja, es hätte sie mehr überrascht, wenn er nicht über einen Aspekt seiner Gesundheit gemurrt hätte, da er jeden Tag von dem einen oder anderen Gebrechen heimgesucht zu werden schien, das Ruhe, ein paar Tropfen Laudanum oder eine kalte Stirnkompresse oder ein Nickerchen auf seinem charpoy unter dem kühlenden Hauch des punkah- Fächers erforderlich machte. Folglich hatte sie ihn in seinem Arbeitszimmer zurückgelassen und allein zu Abend gegessen, ohne sich etwas dabei zu denken. Stattdessen hatte sie dem Geräusch des Regens gelauscht, der auf das Dach niederprasselte und in den schlammigen Strom floss, der einst ihr Garten gewesen war.
    Als Lilian mit ihrer Truthahnbrust mit Pilaw und Curry fertig war, fiel ihr auf, dass sich der Regen gelegt hatte. Eine erstickende Feuchtigkeit machte die Luft schwer, sodass Lilian sich fragte, ob eine derart schweißtreibende Feuchte überhaupt eine Verbesserung darstellte im Vergleich zu der trockenen, brennenden Hitze, die

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