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Handbuch für anständige Mädchen

Handbuch für anständige Mädchen

Titel: Handbuch für anständige Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elaine Di Rollo
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ein oder zwei mit der linken Hand. Captain Lewis’ Gesicht verzerrte sich wütend ob der Beleidigung, und er wollte unbedingt an Land setzen und die Schurken sein Schwert spüren lassen. Er hielt sich an einem Tauende fest und kam mit einem riskanten Sprung an die Seite des Bootes, wobei er seinen Säbel schwang und blutrünstige Flüche ausstieß. Unter den Damen erhob sich besorgtes Gemurmel.
    »Solch Anmaßung!«, sagte Captain Wheeler. Er trat zu Captain Lewis an die Seite des Bootes (auch wenn er zu träge war, zu ihm emporzuspringen) und spuckte ins Wasser.
    »Wir können nichts tun«, sagte Captain Forbes. »Sie werden gleich hinter einer Flussbiegung verschwinden, und Sie werden sie nie wiedersehen. Außerdem versetzen Sie bloß die Damen in Angst und Schrecken, wenn Sie nicht aufhören.«
    »Wissen Sie denn nicht, was diese Uniform diesen Burschen bedeuten sollte?«, fuhr Captain Lewis ihn an.
    »Selbstverständlich weiß ich das«, sagte Captain Forbes mit einem Blick auf die Zivilisten links und rechts von ihm. »Aber Sie werden es auf sich beruhen lassen müssen.«
    Captain Lewis und Captain Wheeler gaben sich geschlagen. Schließlich gab es Champagner in den Picknickkörben und hübsche Mädchen, mit denen man sich unterhalten konnte – und zwar hübsche Mädchen, deren Gesichter nun vor Aufregung gerötet waren nach der soldatischen Zurschaustellung von Tapferkeit, deren Zeuge sie soeben geworden waren.
    »Miss Forbes«, sagte Captain Wheeler galant, »von Ihrem Bruder weiß ich, dass er Sie in Ihrer Kindheit ›Tibby‹ genannt hat. Können Sie uns den Grund verraten?« Und der Vorfall war vergessen, davongetragen auf einem Windstoß züchtigen Gekichers von Miss Forbes und Miss Bell und stürmischen Gelächters aus Männerkehlen.
     
    Die Gärten hatten einst dem Radscha von Khinsamaghar gehört. Seine Unfähigkeit, einen direkten Erben zu zeugen, hatte allerdings dazu geführt, dass sein gesamtes Privatvermögen bei seinem Tod in die Kasse der Honourable East India Company umgelenkt worden war.
    »Wie sonst hätte sich der Friede in der Region bewahren lassen können?«, stellte der Friedensrichter fest, als sie am Landeplatz unterhalb des Palastes und der Gärten anlegten. »Die Nabobs mögen die Doctrine of Lapse nicht, aber das liegt bloß daran, dass sie die Vorteile nicht erkennen.«
    »Und was ist mit der Rani geschehen?«, sagte Lilian. »Nach dem Tod ihres Gatten?«
    »Sie erhält eine Art Pension, glaube ich«, erwiderte der Friedensrichter. »Sie hatte einen Adoptivsohn, den sie ins Spiel bringen wollte, doch sein Anspruch war unter den Bedingungen der Doktrin nicht haltbar.«
    »Kommen Sie schon, alter Knabe«, sagte Mr Ravelston, der das Hinterteil seiner von Bord gehenden Nichte betrachtete, das vor seinen Augen hin und her schaukelte. »Vergessen Sie einfach die Politik, geht das nicht? Im Grunde sind doch alle glücklich.«
    »Wie reizend!«, rief Mrs Toomey. Die Gärten erstreckten sich vor ihnen wie ein befestigter Garten Eden. Ein künstlicher Bach plätscherte durch eine glänzende Rinne zwischen farbenprächtigen Terrassen herab. Buschgruppen und niedrige, zurechtgestutzte Hecken begrenzten einen Kiesweg, der vom Fluss weg in die Rhododendronsträucher führte. »Ich kann mich an keinen derartigen Ausflug erinnern, seit, tja, seit …« Ihr Lächeln gefror.
    Alle sahen Lilian an und suchten nach Anzeichen weiblicher Schwäche – ein feuchtes Auge vielleicht, eine zitternde Lippe, wenigstens eine blasse Wange.
    »Nun, nun«, sagte Dr. Mossly nach einem Moment betont heiter. »Ich bezweifle, dass sich jemals Tiger an diesen Ort verirren.« Er bedachte Lilian mit einem besorgten Blick. »Mrs Fraser, möchten Sie sich setzen?«
    »Ich habe gesessen, seit wir Kushpur hinter uns gelassen haben«, erwiderte Lilian. »Ich muss mich nicht jedes Mal setzen, wenn jemand das Wort ›Tiger‹ ausspricht, verstehen Sie?«
    Die anderen Teilnehmer der Gruppe befanden sich bereits auf dem Weg in den Garten, die Damen im Schutz von Sonnenschirmen oder gewaltigen Baldachinen, die von Trägern gehalten wurden. Hinter ihnen erklommen weitere Träger mühsam den Hang, die Rücken unter der Last etlicher Picknickkörbe gekrümmt, die großzügig mit Speisen und Getränken gefüllt waren.
    »Hält die Company diese Gärten instand?«, fragte Lilian. Warum war sie bisher noch nie hergekommen? Der Ort lag höchstens einen Tagesritt entfernt. Sie hätte sich bestimmt daran erinnert, wenn Harshad etwas

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