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Handbuch für anständige Mädchen

Handbuch für anständige Mädchen

Titel: Handbuch für anständige Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elaine Di Rollo
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schrecklichen Ausschlag haben.«
    »Der springende Punkt ist vielleicht, Sir«, sagte Dr. Mossly, »dass niemand Sie gefragt hat, soweit mir bekannt ist.«
    »Fahren wir nun, oder sollen wir den ganzen Tag hier herumstehen und Mrs Fraser in ihrer nautch- Tänzerinnen-Tracht anstarren?«, fragte Captain Forbes.
    »Ich starre Mrs Fraser sehr gern an«, sagte Captain Wheeler. »Sie sieht hübscher aus als jedes nautch- Mädchen, das ich je zu Gesicht bekommen habe.«
    »Halten Sie den Mund, Wheeler«, sagte Captain Forbes und schenkte Lilian einen weiteren bewundernden Blick – sehr zu Mr Hunters Verdruss.
    Die Reise sollte auf dem Wasser zurückgelegt werden – da eine solche Fahrt schneller war und ohne die Unannehmlichkeiten für Hals, Augen und Kleidung, die die von Rädern oder den Füßen der Träger aufgewirbelten Staubwolken hervorriefen. Die Bande Halunken, die Mr Vine als Schiffsbesatzung angeheuert hatte, erweckte den Anschein, als sei es ebenso wahrscheinlich, dass sie ihre Fahrgäste ausrauben und über Bord werfen würde, statt sie an das gewünschte Ziel zu bringen, auch wenn sie zum Ablegen bereitwillig an Seilen zogen und die Ruderpinne bedienten. Der Friedensrichter schrie den Anführer der Gruppe schrill an – einen stämmigen, dunkelhäutigen Mann mit Augenklappe, bei dem sich Lilian beinahe sicher war, dass sie ihn vor noch nicht einmal zwei Abenden im Arrakrausch bewusstlos auf dem Basar gesehen hatte. Der Mann achtete nicht auf Mr Vine (was gewissen Europäern nicht verborgen blieb), sondern brüllte einen eigenen Befehl, als das Boot vom Flussufer in das braune Wasser schlingerte.
    »Wie aufregend!«, quiekte Miss Bell, als eine Elefantenherde flussabwärts schwamm, von einer Gruppe Mahuts an dem Schiff vorbei und weiter in Richtung Kushpur getrieben. »Haben Sie so etwas schon einmal gesehen?« Die Mahuts hielten sich mit der einen Hand am Schwanz ihrer Tiere fest und fegten mit der anderen ihre Peitschen schreiend durch die Luft. Schaukelnd hob und senkte sich das Boot in dem aufgewühlten Wasser. Mrs Birchwoodes gewaltige Körperfülle verlagerte sich zur Seite und drückte Lilian fest gegen Mr Hunter, wie eine Fregatte eine Seilrolle an die Seite eines Docks pressen mochte. Mrs Birchwoode schien sich dessen nicht bewusst zu sein. Sie hatte den Kopf von Lilian abgewandt und auch von den halb nackten Mahuts, die sich im schokoladenfarbenen Wasser auf und nieder bewegten, und erzählte Miss Bell lautstark, wie sie auf einem Ball in der Residency von Kalkutta Lord Canning begegnet war. Mr Vine rieb sich die Schläfen mit Eau de Cologne ein. Lilian beobachtete, wie sich die Elefanten am gegenüberliegenden Ufer aus dem Wasser mühten. Mr Hunter ließ seine Hand über die Bank gleiten, auf der sie saßen, seine Finger unter die Falten ihres Saris schlüpfen und drückte ihre Hand.
    Langsam fuhr das Boot flussaufwärts. Mr Vine saß schweigend da, die Stirn schweißfeucht. Obgleich er wusste, dass er versuchen sollte, seine Augen von Lilian in ihrer köstlichen Eingeborenentracht loszureißen, verhielt es sich in Wirklichkeit so, dass es ihm nicht im Mindesten gelang. Schließlich ließ er jegliche Ansprüche an den Anstand fallen und gestattete seinem Blick, begehrlich auf ihr zu verweilen. Neben ihm lächelte und nickte Dr. Mossly beinahe ununterbrochen in der Hoffnung, Lilian würde diese Bewegungen endlich bemerken und im Gegenzug vielleicht ebenfalls lächeln und nicken. Mrs Birchwoode hielt Miss Bell soeben einen Vortrag darüber, wie sie ihr Gesicht und ihre Figur zur Geltung bringen musste, um einen Ehemann zu ergattern. Miss Bells Gesicht verfärbte sich immer tiefer rosa, je lauter und indiskreter Mrs Birchwoodes Bemerkungen wurden, bis sich Mr Birchwoode (der gelegentlich taub gegen die Stimme seiner Gattin zu sein schien) endlich aufraffte, sie zu unterbrechen, indem er auf eine Gruppe sepoys verwies, die sich am Flussufer lümmelten. Die Soldaten starrten direkt zu ihnen herüber.
    »Sehen sie denn nicht, wer wir sind?«, sagte Captain Lewis einen Augenblick später. Er stand auf, falls die sepoys sich nicht ganz darüber im Klaren waren, was die blassen Gesichter und roten Uniformen bedeuten könnten. Die sepoys blieben, wo sie waren, auf dem Boden sitzend und kauernd. Captain Wheeler und Captain Forbes standen ebenfalls auf. Mit glühenden Augen beobachteten die sepoys, wie das Boot vorüber fuhr. Schließlich richteten sich ein paar von ihnen langsam auf. Die Hälfte salutierte,

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