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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Ermittlungsprozesses befassten. Jeder Absatz des
Handbuchs für Detektive
las sich wie eine Ermahnung, die ganz speziell auf ihn zugeschnitten war. Er hätte sich eine andere Identität zulegen, sich tarnen oder durch eine Hintertür einsteigen und sich dabei gleich einen Fluchtweg ausdenken sollen. Ganz gewiss wäre es besser gewesen, bewaffnet zu bleiben. Über die Anwendung all dieser Techniken hatte er in den Fallakten gelesen, doch Detektive wandten sie anscheinend ohne Vorbedacht an. War Sivart wirklich so bewusst an seine Fälle herangegangen? Alles, was er tat – ob er nun jemanden abschüttelte oder ihm einen Nasenstüber versetzte –, tat er so, als wäre es ihm gerade erst eingefallen.
    Unwin klappte das Buch zu, legte es auf den Tisch, breitete seine Hände darauf aus und holte ein paarmal tief Luft. Der Mann mit dem blonden Bart hatte bei seiner Arbeit einen Gang zugelegt. Unwin konnte den Satz lesen:
Angewohnheiten lassen auf eine einfältige, aber potenziell gefährlichePersönlichkeit schließen, die entweder hohl oder umnachtet ist
, und dann, genau in dem Moment, als der Mann es tippte:
wenn er in Kontakt mit dem abwesenden Detektiv steht, weiß er es nicht.
    Vielleicht hatte er ja zufällig doch einen Volltreffer gelandet. Unwin machte den Mann mit einer Geste auf sich aufmerksam.
    Der Mann drehte sich auf seinem Sitz um. Sein Bart ragte in den Raum wie ein Vorwurf.
    «Verzeihen Sie bitte», sagte Unwin, «aber sind Sie die Person, die sich kürzlich hier mit Detektiv Sivart getroffen hat?»
    Das Stirnrunzeln des Tippers vertiefte sich, seine Augenbrauen senkten sich, während sich das Bärtchen ein wenig hob. Er mahlte mit den Zähnen und sagte nichts, riss dann die Seite aus der Schreibmaschine, stopfte sie in seine Jacke und erhob sich mit geballten Fäusten von seinem Tisch. Unwin richtete sich auf, weil er fast damit gerechnet hatte, dass der Mann zu ihm kommen würde, doch er ging an Unwins Tisch vorbei und stapfte in den hintersten Teil des Raumes, wo ein Münztelefon an der Wand angebracht war. Er nahm den Hörer ab, nannte der Telefonzentrale eine Nummer und ließ eine Münze in den Schlitz fallen.
    Die drei Männer am Tresen hatten sich von ihren Suppenschüsseln weggedreht und schauten mit müden Gesichtern in den Raum. Unwin hätte nicht sagen können, ob sie ihn verdächtig fanden oder dankbar über die Verschnaufpause des Tastengeklappers waren. Unwin nickte ihnen zu, und sie wandten sich ohne ein Wort wieder ihrem Mittagessen zu.
    Erneut nahm er sich das
Handbuch
vor. Seine Hände zitterten. Er fächerte die Seiten auf, atmete tief den Duft nach altem Papier ein und glaubte, einen Hauch Schießpulverdarin zu erschnuppern. Allmählich konnte er damit beginnen, die Dinge, die er falsch gemacht hatte, aufzulisten und war vielleicht gerade dabei, der Liste noch eins hinzuzufügen, doch er wusste immer noch nicht, wo er anfangen sollte.
    «Er weiß immer noch nicht, wo er anfangen soll», sagte der Mann am Telefon.
    Unwin drehte sich um. Hatte er richtig gehört? Der Mann mit dem blonden Bart stand mit dem Rücken zum Raum, einen Arm auf den Telefonapparat gelegt und den Kopf gesenkt. Er sprach leise, lauschte, nickte dann.
    Unwin holte tief Luft. Das war seine erste Stunde im Feld, und schon jetzt gingen die Nerven mit ihm durch. Er wandte sich wieder seinem Buch zu und versuchte sich zu konzentrieren.
    «Er versucht sich zu konzentrieren», sagte der Mann am Telefon.
    Unwin legte das
Handbuch
weg und erhob sich von seinem Stuhl. Er hatte sich nicht verhört: Der Mann mit dem blonden Bart sprach Unwins Gedanken laut aus. Seine Hände zitterten bei dem Gedanken; er hatte angefangen zu schwitzen. Die Männer am Tresen fuhren erneut herum und sahen dabei zu, wie Unwin in den hinteren Teil des Raumes ging und dem Mann auf die Schulter tippte.
    Der Mann mit dem blonden Spitzbart blickte auf. In seinen hervorquellenden Augen war zu lesen, dass er zu Handgreiflichkeiten bereit war. «Such dir ein anderes Telefon», zischte er. «Ich war zuerst hier.»
    «Haben Sie gerade über mich geredet?», fragte Unwin.
    Der Mann sagte in den Hörer: «Er will wissen, ob ich gerade über ihn geredet habe.» Er lauschte, nickte noch einmal und sagte dann zu Unwin: «Nein, ich habe nicht über Sie geredet.»
    Unwin wurde von einer schrecklichen Panik ergriffen. Am liebsten wäre er zu seinem Platz zurückgelaufen, nein, noch besser, heim in seine Wohnung, und hätte alles vergessen, was er in

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