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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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vor sich – wie eine Lanze.
    Die Fahrertür wurde aufgerissen, und Emily Doppel reckte den Kopf über das Dach. «Sir!», rief sie.
    «Der Kofferraum!», schrie Unwin.
    Emily stieg aus, klappte den Kofferraum auf und breitete die Arme aus. Unwin sprang ab, und das Fahrrad schoss direkt auf seine Assistentin zu, die es mit überraschender Kraft in die Höhe hob und in den Kofferraum fallen ließ. Sie warf ihm die Schlüssel zu, doch er warf sie zurück.
    «Ich kann nicht fahren!», sagte er.
    In genau dem Moment, als der Wagen neben ihnen hielt, kletterte sie wieder auf den Fahrersitz. Detektiv Screed stieg aus. Er spuckte seine nicht angezündete Zigarette auf die Straße und sagte: «Unwin, steigen Sie in den Wagen.»
    «Steigen Sie ein!», schrie ihm Emily zu.
    Unwin sprang auf den Beifahrersitz und warf die Tür zu. Sie legte einen Gang ein, und sein Kopf wurde gegen die Rückenlehne gedrückt. Im Rückfenster sah er, wie Screed einige Schritte hinter ihnen herlief. Dann blieb der Detektiv stehen, beugte sich vornüber, stützte die Hände auf die Knie. Der Mann mit dem blonden Bart stand neben ihm, seine Reiseschreibmaschine in der Hand.
    «Wo haben Sie den her?», fragte Unwin.
    «Aus der Garage der Agentur», antwortete sie.
    «Die Agentur hat Ihnen ein Fahrzeug gegeben?»
    «Nein, Sir. Das ist Ihres. Aber unter diesen Umständen dachte ich, es macht Ihnen nichts aus.»
    Emily fuhr mit dem gleichen Elan Auto, wie sie Schreibmaschine schrieb. Ihre kleine Hand bewegte sich flink zwischen Steuer und Schaltknüppel hin und her. Einmal nahm sie eine Kurve so scharf, dass Unwin fast auf sie draufgefallen wäre. Ihre glänzende schwarze Brotzeitdose rutschte zwischen den beiden Sitzen hin und her, wobei ihr Inhalt klapperte.
    Wie hatte seine Assistentin ihn gefunden? Sie wusste, dass er ins Stadtmuseum gefahren war, doch von dem Ausflug ins
Letzte Nickerchen
konnte sie nur erfahren haben, wenn sie mit Edwin Moore gesprochen hatte – oder sie hatte ihre eigenen Kontakte.
    «Ich habe Detektiv Screed beschattet», sagte sie, als könnte sie seine Gedanken lesen. «Dass er nichts Gutes im Schilde führt, wusste ich, als ich gesehen habe, wie er sich aus dem Büro schlich.»
    Sie fuhr auf gewundenen Wegen durch die Stadt, indem sie Tunnels und Seitenstraßen wählte, in denen Unwin nie gewesen war. Jetzt spürte er die Kälte, spürte die klamme Feuchtigkeit seiner Kleider auf dem Sitz. Er nahm seinen Hut ab und drückte das Wasser heraus, zog dann Jacke und Krawatte aus und ließ ihnen die gleiche Behandlung angedeihen. Die Adresse auf der Karte war immer noch leserlich; er reichte sie Emily, die nickte.
    «Haben Sie ein Grammophon aufgetrieben?», fragte er.
    Emilys Wangen wurden rot. «Ich bin eingeschlafen», sagte sie und hielt die Augen auf die Straße gerichtet.
    Unwin öffnete die Heizungsventile und sank in seinen Sitz zurück. Mittlerweile fuhren sie in Richtung Vorstadt,und wenn Unwin durch die grauen Regenwolken nach Norden, jenseits der äußersten Stadtgrenzen schaute, konnte er grüne Hügel und weit entfernte Wälder entdecken. War er hier einmal als Kind gewesen? Ihm schien es, als könne er sich an jene Hügel, jene Wälder und an ein Spiel erinnern, das er dort mit anderen Kindern gespielt hatte. Dabei ging es darum, dass man sich versteckte und gegenseitig suchte; man wartete und lauschte, und dann suchte man. Suchen – hatte es so geheißen? Oder lauschen?
    «Screed glaubt, Sie haben einen Mord auf dem Gewissen», sagte Emily.
    Unwin erinnerte sich an sein Gespräch mit dem Detektiv im neunundzwanzigsten Stock, und wie er ihm Lamechs Aktennotiz gegeben hatte. Kurz danach musste Screed nach oben gegangen sein. Wahrscheinlich hatte er die Leiche noch vor dem Boten gefunden.
    «Was glauben Sie?», erkundigte sich Unwin.
    «Ich glaube, Sie werden sich von dem Vorwurf reinwaschen können», sagte sie. Ihre Wangen waren noch immer rot, und in ihrer Stimme lag etwas, das sehr nach Leidenschaft klang. «Ich glaube, Sie werden den größten Kriminalfall lösen, den es je gab.»
    Unwin schloss die Augen, während die heiße Luft aus der Heizung ihn allmählich aufwärmte. Er lauschte dem leisen Quietschen der Scheibenwischer auf der Windschutzscheibe. Warten? Suchen? Lauschen?
    Vielleicht brachte er auch etwas durcheinander. Vielleicht hatte er ein solches Spiel nie gespielt.
     
    Es war dunkel, als Unwin aufwachte, und seine Kleider waren trocken. Durch das Seitenfenster sah er eine niedrige Steinmauer.

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