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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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verschwand, hörte, wie sie schaltete. Als das Auto nicht mehr zu sehen war, schob er sein Fahrrad über die Straße zum Hotel, fand ein kleines Seitengässchen und kettete seinen Drahtesel an eine Feuerleiter an.
    Erst als er die Hotellobby betreten und er und der Portier sich kurz zugenickt hatten, wurde ihm bewusst, dass Emily zu erkennen gegeben hatte, dass sie wusste, warum er hier war, obwohl er Miss Greenwoods Namen nie erwähnt hatte.
     
    Die Frau, die sich als Vera Truesdale ausgegeben hatte, kam schon beim zweiten Klopfen an die Tür. Sie hatte dasselbe altmodische Kleid, schwarz mit weißem Spitzenkragen und -manschetten an, aber mittlerweile war es zerknittert. Ihr Haar trug sie offen, es war wellig und zerzaust. Die weißen Strähnchen darin hatte Unwin am Morgen übersehen. In dem Zimmer hinter ihr lag die kleine Spitzenhaube gefaltet auf dem Kissen, und ein schwarzes Telefon war in den Falten des ungemachten Bettes versunken wie ein Schiff in den Wogen.
    Ihre rot geränderten Augen standen weit offen. «Mr. Lamech», sagte sie. «Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Sie persönlich kommen!»
    «Gehört alles zu meinem Job», sagte Unwin.
    Sie nahm seinen Mantel und Hut entgegen, schloss dann die Tür hinter ihm und ging zu der kleinen Küchenzeile. «Ich habe einen Scotch, glaube ich, und etwas Soda.»
    Was hatte er doch im
Handbuch
gleich über Gifte und Gegengifte gelesen? Jedenfalls nicht genug, um irgendein Risiko einzugehen. «Für mich nichts, danke.»
    Unwin schaute sich im Zimmer um. Ein Koffer lag mit gelösten Riemen auf einem Stuhl, ihre Tasche stand auf dem Tisch daneben. In Lamechs Büro hatte sie gesagt, sie sei etwa vor drei Wochen in die Stadt gekommen – soweit mochte das stimmen. Doch in einer Zimmerecke stand ein Grammophon auf einem eigenen Tischchen. Hatte sie das auch mitgebracht oder es erst nach ihrer Ankunft gekauft? Ein Stapel Platten lag daneben.
    Sie kam mit einem Drink in der Hand zurück und zeigte auf eines der beiden Fenster. Von beiden hatte man eine trostlose Aussicht auf das Gebäude neben dem Hotel, das auf der anderen Seite eines Gässchens lag. «Das ist dasFenster, das am Morgen immer offen steht», sagte sie, «obwohl ich es nachts verriegele.»
    Das Fenster ging auf die Feuerleiter hinaus. Unwin untersuchte die Verriegelung und befand sie für solide. Er fragte sich, wie lange er wohl noch seine Rolle spielen konnte. Möglicherweise hatte ihn Miss Greenwood längst durchschaut und machte nur gute Miene zum bösen Spiel. Er musste das Risiko eingehen, solange es eben ging.
    «Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich eine Platte auflege?»
    «Ich denke nicht», sagte sie. Fast klang der Satz wie eine Frage.
    Unwin nahm die Schallplatte aus seiner Aktentasche und ließ sie aus ihrer Hülle gleiten. Er legte die schimmernde Scheibe auf den Plattenteller, schaltete ein und senkte die Nadel auf die Rille. Zuerst hörte man nur Knistern, das von einem rhythmischen
Pscht!
gefolgt wurde. Dann kam ein tieferer Ton, eine Art Gurgeln, das einer Männerstimme ähnelte. Die Aufnahme war allerdings verzerrt, und Unwin verstand kein Wort.
    «Das ist schrecklich», sagte sie. «Bitte stellen Sie das aus.»
    Unwin beugte sich tiefer über den Lautsprecher. Das Gemurmel, das an eine Rede erinnerte, ging weiter, brach ab, begann wieder. Und dann hörte er es. Es war das gleiche Geräusch, das er am Telefon im Museumscafé gehört hatte, als er dem Mann mit dem blonden Spitzbart den Hörer aus der Hand genommen hatte.
    Eine Art Rascheln, und das Gurren von Tauben.
    Miss Greenwood stellte ihr Glas ab und kam auf ihn zu, wobei sie mit dem Fuß fast am Teppich hängen blieb. Sie hob die Nadel von der Schallplatte und bedachte Unwin miteinem wütenden, fragenden Blick. «Ich weiß nicht, was das mit meinem Fall zu tun hat», sagte sie.
    Er verstaute die Schallplatte wieder in ihrer Hülle und schob sie in seine Aktentasche zurück. «Mit dieser Geschichte von der Schlaflosigkeit haben Sie heute Morgen Ihr Hinken überspielt», sagte er.
    Als er ihre Verletzung erwähnte, zuckte sie zusammen. «Ich hab die Zeitung gelesen», sagte sie. «Edward Lamech ist tot. Sie sind kein Wächter.»
    «Und Sie sind nicht Vera Truesdale.»
    In diesem Moment vollzog sich in ihrem Gesicht eine Veränderung und sie sah überhaupt nicht mehr müde aus. «Ich rufe das Sicherheitspersonal des Hotels.»
    «Okay», sagte Unwin, überrascht von seiner eigenen Kühnheit. «Aber zuerst möchte ich wissen, warum Sie

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