Handbuch für Detektive - Roman
Dahinter lag ein kleines Wäldchen aus Ahornbäumenmit roten Blättern, die, von einer Laterne beleuchtet, vor sich hin tropften. Er war allein. Mit einem Griff nach unten stellte er fest, dass seine Aktentasche noch da war, doch der Schirm war weg.
Er öffnete die Autotür und kletterte auf den Gehweg hinaus, Jacke und Krawatte über dem Arm. Die Luft aus dem Stadtpark war kühl und roch nach Erde, nach Moder. Auf der anderen Seite stand eine Reihe hoher Gebäude, das Licht aus ihren Fenstern verwandelte den Regen über dem Gehweg in gelbe Säulen. Emily war verschwunden. Hatte sie ihn schließlich durchschaut und zurückgelassen?
Ein Mann in grauem Übermantel und mit zwei kleinen Hunden an der Leine trat aus dem Park. Er blieb stehen, als er Unwin erblickte, und beide Hunde knurrten. Der Mann schien das gutzuheißen und ließ sie knurren. Es verging eine Minute, bis er sie weiterzerrte und den Block hinunterging.
Unwin zog die Krawatte an, schlüpfte in die Jacke und knöpfte sie zu. Kurz überlegte er, ein Taxi anzuhalten – nicht, um ins Gilbert Hotel zu fahren, sondern um sich nach Hause bringen zu lassen. Doch es tauchten keine Fahrzeuge auf, und jetzt erblickte er Emily, die über die Straße auf ihn zukam. Ihr schwarzer Trenchcoat war um die Taille fest zugegürtet, und sie hatte beim Gehen eine Hand in der Manteltasche. Sie sah nicht aus wie die Assistentin eines Detektivs. Sie sah aus wie ein Detektiv.
Ohne ein Wort reichte sie ihm seinen Schirm, nahm die Schlüssel aus der Tasche und öffnete den Kofferraum. Gemeinsam hoben sie das Fahrrad heraus, und Unwin lehnte es an den Laternenpfahl.
«Alles geregelt», sagte Emily. «Hinten gibt es ein kleines Restaurant, aber Miss Greenwood ist nicht dort. Sie werdendirekt auf ihr Zimmer gehen müssen. Ich habe bereits mit dem Mann am Empfang gesprochen. Niemand wird Sie aufhalten.»
Unwin schaute über die Straße und bemerkte das Schild über der Tür, aus der Emily gekommen war. Die Schreibschrift war von einer Lampe darüber angeleuchtet:
The Gilbert.
«Sie haben erstklassige Arbeit geleistet, Emily. Ich finde, Sie sollten jetzt Feierabend machen. Den Ball flach halten, wie man so schön sagt.»
Emily stand mit ihm unter seinem Schirm. Sie kam ihm sehr nahe und streckte eine Hand nach seinem Brustkorb aus. Er hatte das gleiche Gefühl wie an diesem Morgen, dort in dem Büro im neunundzwanzigsten Stock – dass sie eingesperrt waren und es nicht genug Platz für sie beide gab. Er konnte ihren Lavendelduft riechen. Sie knöpfte seine Jacke auf.
Unwin trat einen Schritt zurück, doch Emily hielt ihn an der Jacke fest. Dann sah er, warum. Er hatte sie falsch zugeknöpft, und Emily war dabei, seinen Fehler zu korrigieren. Sie öffnete auch noch alle restlichen Knöpfe, strich dann die Jacke auf beiden Seiten glatt und knöpfte sie richtig zu.
Als sie fertig war, schloss sie die Augen, legte den Kopf in den Nacken und näherte sich mit ihrem Gesicht dem seinen. «Diejenigen, die Ihnen am nächsten stehen», sagte sie, «diejenigen, denen Sie Ihre innersten Gedanken und Überlegungen anvertrauen, sind auch die Gefährlichsten. Wenn Sie es versäumen, sie als Gegner zu behandeln, dann werden sie ganz gewiss zu Ihren schlimmsten Feinden werden. Lügen Sie sie an, wenn es sein muss, behalten Sie so viel wie möglich für sich, und suchen Sie keine Vertrautheit, sofern es der Sache Ihres Falles nicht dienlich ist.»
Unwin schluckte. «Kommt mir bekannt vor.»
«Sollte es auch», sagte sie. Sie machte die Augen wieder auf und tätschelte seine Aktentasche. «Keine Sorge, ich hab das Buch wieder dorthin getan, wo ich es gefunden habe. Und ich hab nur mal einen kurzen Blick reingeworfen. Ich fand diese Seite besonders interessant. Sie nicht?»
Emily schloss den Kofferraum und ging um das Auto herum. Er folgte ihr mit dem Schirm und hielt ihn über sie, bis sie im Wagen saß. Sie kurbelte ihr Fenster herunter und sagte: «Eines habe ich mich gefragt, Detektiv Unwin. Sagen wir, wir finden Sivart tatsächlich. Was passiert dann mit Ihnen?»
«Ich bin mir nicht sicher. Kann sein, dass das mein einziger Fall bleibt.»
«Und was wird dann aus mir?»
Unwin schaute auf seine Füße. Er wusste nicht, was er sagen sollte.
«Das habe ich mir gedacht», sagte Emily. Sie kurbelte das Fenster wieder hoch, und Unwin trat beiseite, als sie von der Bordsteinkante wegfuhr. Er sah, wie der Wagen in eine Straße einbog, die durch den Park führte und zwischen den Bäumen
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