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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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kapiert, auch wenn wir uns beide nicht gut dabei fühlten.
    Hören Sie zu, Schreiber. Ich war nicht mit der Sache beauftragt. Niemand hatte mir diesen Fall zugeteilt. Was ich als Nächstes tat, tat ich als aufrechter Bürger dieses ungerechten Landes. Ich glaube, dabei habe ich ein paar Gesetze gebrochen. Wenn jemand kommen und mich festnehmen möchte, bitte schön. Ich bin zu müde, als dass es mir etwas ausmachen würde.
    Ich sagte: «Wir werden Ihre Helfer hier festnehmen, und dann bringen wir den Zaster wieder rein. Aber Sie, meine Dame, können gehen. Ich will Sie nie wieder in dieser Stadt sehen.»
    «Wenn das alles vorüber ist», erwiderte sie, «werden Sie nicht der Einzige sein.»
    Ich ging mit ihr weg und ließ die anderen die Drecksarbeit machen. Sie sind ein verdammt anständiger Haufen Pfundskerle, und keiner hat mich aufgehalten. Ich ging mit ihr zum Bahnhof. Wie in alten Zeiten kauften wir uns unterwegs ein paar Brezeln, bloß dass es gar keine alten Zeiten waren und wir uns das dazudenken mussten. Die ganze Stadt war vollkommen wahnsinnig geworden, aber die Züge fuhren noch. Ich kaufte ihr eine Fahrkarte, einfache Fahrt, und wir standen eine Weile zusammen am Bahnsteig. Ich werde Ihnen nicht sagen, worüber wir geredet haben. Ich werde Ihnen auch nicht sagen, was geschah, bevor ich sie in den Zug setzte. Was geht es Sie überhaupt an, worüber wir gesprochen haben?
    Ich schaute dem Zug hinterher, bis er vom Tunnel verschluckt wurde.
    Jetzt sitze ich in meinem Büro. Es ist dunkel hier drinnen, und ich habe mich an meinem eigenen Rauch verschluckt. Langsam überlegeich mir, ob ich vorzeitig in Rente gehen soll. Ich hab mich in ihr getäuscht, Schreiber. Wie üblich. Und zwar gewaltig.
    Unwin schaute den Bericht, auf der Suche nach einer besseren Erklärung, noch einmal durch. Woher hatte Sivart gewusst, was an dem Morgen passiert war, während jeder andere sich hatte narren lassen? Die schlüssigste Erklärung, die er finden konnte, und die einzige Schlussfolgerung, die der Bericht jemals gestatten würde, war Sivarts Aussage, dass er sich eben einfach
erinnert
hatte.
     
    Unwins Regenschirm stand zusammengeklappt neben seinem Bett, Wassertröpfchen hafteten an dem schwarzen Stoff. Das Bett war gemacht, obwohl die Decken durchnässt und zerknittert waren, ebenso wie seine Kleider. Seine Aktentasche stand auf dem Boden neben dem Bett. Aus der Küche kam das Geräusch der Eisschranktür, die geöffnet und wieder geschlossen wurde. Eine Frau summte vor sich hin, und Unwin erkannte die Melodie aus Miss Greenwoods Darbietung in der vorigen Nacht.
    Es tat zu sehr weh, den Kopf zu bewegen, deshalb hielt er sich die Armbanduhr dicht vor seine Augen. Sechs Uhr zweiunddreißig – immer noch früh. Aber früh wofür? Für die Arbeit? Man würde ihn festnehmen, sobald er sein Fahrrad in die Eingangshalle schob. Für den Kaffee im Central Terminal? Auch dort konnten sie überall auf ihn warten: in der Schlange am Frühstückswagen, neben dem Informationsschalter, unter dem Bogen zu Bahnsteig vierzehn. Selbst die Frau in dem karierten Mantel schien ja mit ihnen unter einer Decke zu stecken.
    Dann fiel ihm Edwin Moore wieder ein, er dachte daran zurück, wie der auf der Pritsche des Dampflasters ausgesehen hatte, zitternd zwischen all den Weckern.
Die werden
mich finden
, hatte ihm Moore im Magazin des Museums gesagt, und er hatte recht behalten – sie hatten ihn gefunden. Würden die Rooks ihn ermorden, so, wie sie Detektiv Pith ermordet hatten?
    «Frühstück ist fertig», rief Emily aus der Küche.
    Er setzte sich langsam auf. Was machte seine Assistentin in seiner Wohnung? Allmählich sickerte der Schlaf aus seinem Hirn und bildete eine schwappende Pfütze in seiner Magengrube. Er schälte sich die feuchten Socken von den Füßen und ließ sie neben den Schuhen auf den Boden fallen. Er würde Edwin Moore finden müssen, und zwar bald.
    Mit zittrigen Bewegungen erhob er sich und ging in die Küche. Gebutterter Toast türmte sich auf dem Küchentisch, und ein Paar Spiegeleier mit leuchtend gelbem Dotter warteten auf einem Teller auf ihn. Mit einer schwungvollen Armbewegung verteilte Emily einen Klecks schmelzende Butter in der Bratpfanne. Es war eine wirklich lange Nacht für sie gewesen, doch sie wirkte ausgeruht und trug einen grauen Rock und eine Bluse mit Nadelstreifen. Die Bleistifte in ihrer hochgesteckten Haarmähne waren frisch gespitzt.
    «Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, dass ich in Ihre Wohnung

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