Handbuch für Detektive - Roman
genippt hatte? Enoch Hoffmann war, als er sie erwähnte, wütend geworden. Kannten sich die beiden?
Der Zug quietschte, als er um eine Kurve fuhr. Unwin sah verlassene Bahnhöfe an sich vorüberziehen – keine realen Plätze mehr, sondern vergessene Hohlräume, die irgendwo im Dunkel unter der Stadt verfielen. An einem von ihnen hielt der Zug, und die Türen öffneten sich. Es war nicht seine Haltestelle.
All dies, dachte er sich, geschah nicht, weil Sivart verschwunden war oder weil Lamech ihn befördert hatte, auch nicht, weil Hoffmann die Wecker der Stadt stahl. Es geschah, weil die Frau im karierten Mantel ihren Regenschirm hatte fallen lassen und er es versäumt hatte, ihn aufzuheben. Denn
wenn
er ihn aufgehoben hätte, dann hätte sie mit ihm gesprochen. Vielleicht hätten sie den Bahnhof gemeinsam verlassen, bevor Detektiv Pith ihn hätte finden können. Vielleicht wären sie nebeneinander hergelaufen und hätten geplaudert, und er hätte sein Fahrrad über den Gehsteig geschoben.
Sein Fahrrad! Es war immer noch an die Feuerleiter des Gilbert Hotels gekettet. Die Kette würde bei diesem Wetter schrecklich rosten.
Die hintere Tür des Waggons öffnete sich, und eine Gestalt im grauen Overall schlurfte mit einem Eimer auf Rädern herein, den sie vor sich herschob. Es war Arthur, der Putzmann. Der Mann schien überall zu sein – zuerst im Central Terminal, dann auf der Bühne des
Ratzekatz
und jetzt in der U-Bahn. Der Zug fuhr wieder um eine Kurve, und er schwankte. Unwin stand auf, um ihn zu stützen, doch Arthur machte einen kleinen Hüpfer, um sein Gleichgewicht wiederzuerlangen, und schlurfte weiter.
Die Augen des Wachmanns waren geschlossen; er schnarchte immer noch. Und doch kam er direkt auf Unwin zu, als folgte er einem Impuls seines Willens. Seine großen Hände pressten den Griff seines Mopps so fest, dass die Knöchel weiß wurden. Sie waren sehr sauber, diese Hände, und die Fingernägel breit und flach.
Die Lichter gingen aus, und es herrschte vollkommene Finsternis. Unwin hörte das Quietschen der Eimerräder, die langsam näher kamen. Als es wieder hell wurde, stand Arthur, die Zähne hinter leicht geöffneten Lippen zusammengebissen, nur noch ein paar Schritte von ihm entfernt.
Unwin wich zurück und stieß gegen eine Haltestange, wobei er fast hinfiel, sich aber wieder fing, eine kleine Runde um die Stange drehte und auf der anderen Seite weiterlief. Was wollte Arthur von ihm? Vielleicht machte er Unwin für Samuel Piths Tod verantwortlich; oder, noch schlimmer, vielleicht steckte er mit denen unter einer Decke, die den Detektiv ermordet hatten. Unwin floh, doch er befand sich im letzten Waggon und kam nicht weit. Aus dem vorderen Fenster sah man in den Tunnel hinein. Die Gleise schimmerten im Licht des einzigen Scheinwerfers, den der Zug hatte.
Arthur kam näher, seine Miene war zu einem Dauergrinsen erstarrt. Die Worte, die er murmelte, konnte Unwin nicht verstehen, doch sie klangen bestenfalls unfreundlich. Er schlug mit der Faust gegen die Tür zum Führerhaus. Die einzige Reaktion war ein statisches Rauschen aus einem Funkgerät, und darin glaubte Unwin wieder diese Geräusche zu hören, die ihm so vertraut geworden waren – das Rascheln von Papier und das Gurren von Tauben.
Der Zug wurde langsamer, als er in eine weitere Station einfuhr. Unwin schwang seinen Schirm wie eine Waffe, alser um den Putzmann herum in Richtung Tür ging. Einen Moment lang konnte er in Arthurs Eimer sehen. Er war voller roter und orangegelber Blätter.
Als der Zug hielt, lief Unwin den Bahnsteig entlang in Richtung Ausgang. Die Wände der Station waren mit einem Kachelmosaik geschmückt, auf dem Karussells und von Wimpeln gekrönte Zelte abgebildet waren. Das war die richtige Haltestelle. An einer Reihe von zerbrochenen Drehkreuzen blickte er noch einmal zurück.
Der Zug fuhr langsam aus der Station. Der Putzmann war ihm nicht gefolgt.
Das Versteck, das sichere Haus, die Kommandozentrale: Sie können davon ausgehen, dass Ihr Gegner sie besitzt, doch dass es für Sie nicht gerade von Vorteil ist, auf sie zu stoßen.
Ein riesiger Gipsclown stand krummbeinig am Eingang des Wanderzirkus-der-nicht-mehr-wandert. Der Lack auf seinem Gesicht und dem Anzug war abgeplatzt, die Farben waren zu einem dumpfen Braun und Lila verblasst. Seine krummen Beine waren der Bogen, durch den die Besucher eintreten mussten. Das Lächeln des Clowns hieß sie willkommen, doch irgendwie war es ein hungriges
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