Handyman Jack 01 - Die Gruft
von Nellie. Gia ging auf die andere Seite des Bettes hinüber – vorsichtig, so als erwarte sie, dass etwas vom Fußboden hochfahren und sie angreifen könnte. Nein … Nellie lag nicht auf dem Boden. Gia wandte sich zum Badezimmer. Die Tür stand offen und es war leer.
Sie bekam Angst. Sie rannte die Treppe hinunter und lief von Raum zu Raum, wobei sie überall das Licht anschaltete und immer wieder Nellies Namen rief. Dann wandte sie sich wieder nach oben und kontrollierte das Schlafzimmer von Grace im ersten Stock und das zweite Gästezimmer im zweiten.
Nichts. Alle leer.
Nellie war verschwunden – genau wie Grace!
Gia stand in der Eingangshalle und kämpfte gegen ihre Panik an. Sie wusste nicht recht, was sie jetzt tun sollte. Sie und Vicky waren allein in einem Haus, aus dem Leute spurlos verschwanden …
Vicky!
Gia hastete in ihr Schlafzimmer. Das Licht brannte noch. Vicky lag zusammengerollt unter der Bettdecke und schlief tief und fest. Gott sei Dank! Sie ließ sich gegen den Türrahmen sinken, erleichtert, aber immer noch verängstigt. Was jetzt? Sie ging zum Telefon in der Eingangshalle. Sie hatte Jacks Nummer und er hatte gesagt, sie solle anrufen, wenn sie ihn brauchte. Aber er war in New Jersey und würde Stunden brauchen, bis er hier eintraf. Gia wollte sofort jemanden hier haben. Sie wollte nicht eine Minute länger als unbedingt nötig mit Vicky allein in diesem Haus verbringen. Mit zitternden Fingern wählte sie den Polizeinotruf.
12
»Wohnst du in der Stadt immer noch zur Miete?«
Jack nickte. »Ja.«
Sein Vater zog eine Grimasse und schüttelte den Kopf. »Da kannst du dein Geld auch gleich zum Fenster hinauswerfen.«
Jack hatte sich umgezogen und trug nun das Hemd und die Hose, die er mitgebracht hatte. Sie waren jetzt zurück im Haus, nachdem sie ausgiebig in einem Mount-Holly-Fischrestaurant zu Mittag gegessen hatten. Sie saßen im Wohnzimmer und nippten in fast völliger Dunkelheit an ihren Whiskeygläsern. Das einzige Licht fiel aus dem angrenzenden Esszimmer herein.
»Du hast recht, Dad. Ich werde dir nicht widersprechen.«
»Ich weiß, Häuser sind heutzutage lächerlich überteuert und ein Mann in deiner Situation braucht auch keines, aber wie wäre es mit einer Eigentumswohnung? Immobilien sind immer eine sichere Geldanlage.«
Es war eine Unterredung, die sie schon oft geführt hatten, eigentlich jedes Mal, wenn sie zusammentrafen. Dad ließ sich immer über die Steuervorteile aus, die ein eigenes Haus bot, und Jack log und wich dem Thema aus. Er konnte ja schlecht argumentieren, dass Steuervorteile nichts nützen, wenn man keine Steuern zahlt.
»Ich weiß nicht, warum du in dieser Stadt bleibst, Jack. Nicht genug, dass du staatliche und regionale Steuern zahlst, nein, auch die Stadt greift dir in die Taschen.«
»Ich arbeite dort.«
Sein Vater stand auf und nahm die beiden Gläser zum Auffüllen mit in das angrenzende Zimmer. Als sie nach dem Essen zurückgekommen waren, hatte er Jack nicht nach seinen Wünschen gefragt: Er hatte einfach ein paar Fingerbreit auf Eis geschüttet und ihm das Glas gereicht. Jack Daniels war nichts, was Jack normalerweise bestellen würde, aber nach dem ersten Glas schmeckte es ihm sogar. Er wusste nicht mehr, wie viele Gläser sie seit diesem ersten gehabt hatten.
Jack schloss die Augen und ließ die Atmosphäre des Hauses auf sich einwirken. Er kannte jede Ritze in den Wänden, jede knarrende Bohle, jedes Versteck. Dieses Wohnzimmer war ihm damals so riesig vorgekommen, jetzt schien es ihm so klein. Er konnte sich noch daran erinnern, wie dieser Mann im Zimmer nebenan ihn auf seinen Schultern durch das Haus getragen hatte, als er ungefähr fünf war. Und als er älter wurde, hatten sie im Garten Fangen gespielt. Jack war das jüngste der drei Kinder. Zwischen ihm und seinem Vater hatte es immer eine besondere Beziehung gegeben. Sie hatten an den Wochenenden gemeinsam etwas unternommen, und wann immer sich die Gelegenheit bot, impfte sein Vater ihn mit Weisheiten. Nicht so, dass er ihm Vorträge hielt, sondern eher Tipps, zum Beispiel, dass er Akademiker werden solle, wenn er erwachsen wurde. Er hatte alle seine Kinder so bearbeitet und ihnen beigebracht, wie viel besser es doch sei, sein eigener Herr zu sein, statt wie er für jemand anderen arbeiten zu müssen. Damals hatten sie sich nahegestanden. Jetzt nicht mehr. Jetzt waren sie wie Bekannte … nicht richtig Freunde … wie entfernte Verwandte.
Sein Vater reichte ihm ein
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