Handyman Jack 01 - Die Gruft
war die Hölle, den umherwandernden Exemplaren aus dem Weg zu gehen. Jack konnte überhaupt nicht vorhersehen, wann einer auftauchte. Sie kamen aus der Dunkelheit und gingen in nächster Nähe vorbei, wobei sie manchmal innehielten und sich unter Umständen auch umschauten, weil sie Menschen spürten, aber nicht sehen konnten.
Er hatte drei Viertel des Laderaums durchquert, als sich plötzlich ein zwei Meter großer Schatten vom Fußboden erhob und auf sie zusteuerte. Jack konnte nirgendwohin. Auf beiden Seiten schliefen dunkle Gestalten und der Weg dazwischen war nicht breit genug, dass ein Rakosh an ihm vorbeilaufen konnte. Instinktiv fuhr er zurück – und geriet ins Schwanken. Kolabati hatte das wohl gespürt, denn sie presste ihr Gewicht starr gegen seinen Rücken.
In einem verzweifelten Versuch, nicht hintenüberzufallen, hob Jack sein linkes Bein und drehte sich auf dem rechten Fuß. Er vollführte eine halbe Drehung und stand so wieder in der Richtung, aus der er gekommen war – mit gespreizten Beinen über einem schlafenden Rakosh. Als der andere Rakosh an ihm vorbeischlurfte, streifte er Jacks Arm.
Mit einem Geräusch irgendwo zwischen einem Knurren und einem Zischen wirbelte der Rakosh mit erhobenen Klauen und gebleckten Zähnen herum. Jack hatte noch nie eine so unvermittelte Bewegung gesehen. Er biss die Zähne zusammen und wagte es nicht, sich zu rühren oder auch nur zu atmen. Die schlafende Gestalt zu seinen Füßen regte sich. Er konnte nur beten, dass sie nicht aufwachte. Er spürte, wie sich ein Schrei in Kolabati regte. Er verstärkte seinen Griff um ihre Beine – eine lautlose Aufforderung, durchzuhalten.
Der Rakosh vor ihm blickte abwechselnd von einer zur anderen Seite, zuerst hastig, dann langsamer. Schließlich beruhigte er sich und senkte die Klauen. Dann ging er weiter, aber nicht ohne einen langen misstrauischen Blick in ihre Richtung.
Jack erlaubte sich wieder das Atmen. Er wuchtete sich auf den freien Pfad durch die schlafenden Rakoshi hindurch zurück und machte sich wieder auf den nicht enden wollenden Weg zur Steuerbordwand des Laderaums. Er lächelte glücklich, als er unten an der Wand die drei Knöpfe erkennen konnte.
In der flachen Senke unter dem Fahrstuhl hatten sich keine Rakoshi niedergelassen. Vielleicht hatten sie im Laufe der Zeit gelernt, dass man sich dort nicht schlafen legen sollte – wenn man zu lange und zu tief schlief, konnte das tödlich sein.
Jack zögerte keine Sekunde. Sobald er nahe genug heran war, streckte er die Hand aus und drückte auf den Knopf, der den Fahrstuhl nach unten schickte.
Es folgten ein lautes Klappern – fast ohrenbetäubend in dem dunklen abgeschlossenen Stahlkäfig – und dann ein hohes Summen. Die Rakoshi waren augenblicklich alle wach und auf den Beinen. Ihre glühenden Augen waren starr auf die sich herabsenkende Plattform gerichtet.
Eine Bewegung auf der anderen Seite des Laderaums erregte Jacks Aufmerksamkeit: Die Rakoshi-Mutter kam auf sie zu. Alle Rakoshi schlurften nach vorn und stellten sich in einem annähernden Halbkreis nur wenige Meter von der Stelle entfernt auf, wo Jack mit Kolabati auf dem Rücken stand. Er war so weit zurückgewichen, wie es nur ging, ohne in die Aufzugsmulde zu treten.
Die Mutter drängte sich nach vorn und stand bei den anderen, die Augen auf die Plattform gerichtet. Als die herabsinkende Plattform nur noch wenige Meter vom Boden entfernt war, begannen die Rakoshi einen leisen Singsang, der bei dem stetig lauteren Quietschen des Aufzugs kaum zu hören war.
»Sie sprechen!«, flüsterte Kolabati in sein Ohr. »Rakoshi können nicht sprechen!«
Bei dem ganzen Krach um ihn herum hielt Jack es für ungefährlich, den Kopf zu drehen und ihr zu antworten: »Du hättest sie gestern Nacht sehen sollen – es war wie eine politische Kundgebung. Sie riefen alle so etwas wie ›Kaka-ji, Kaka-ji‹. Es war…«
Kolabatis Fingernägel gruben sich tief in seine Schulter und ihre Stimme wurde so laut und schrill, dass er befürchtete, die Rakoshi könnten sie hören: »Was? Was hast du da gesagt?«
»Kaka-ji. Das haben sie gerufen. Kaka-ji. Was …?«
Kolabati stieß einen leisen Schrei aus, der wie ein Wort klang, aber nicht wie ein englisches Wort. Und plötzlich verstummte der Singsang.
Die Rakoshi hatten sie gehört.
12
Kusum stand mit ausgestrecktem Arm am Straßenrand. Alle Taxis auf der 5th Avenue schienen heute Abend besetzt. Er wippte ungeduldig mit dem Fuß. Er wollte zurück
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